Oscars: Weiterhin heftige Kontroverse um Jonathan Glazers Gaza-Rede

„Kapern des Holocaust". Rede von „Zone of Interest“-Regisseur im Feuer der Debatten.

Bei der diesjährigen Oscar-Verleihung kann Jonathan Glazer, der Regisseur von „The Zone of Interest“ eine inoffizielle Trophäe für die kontroverseste Rede für sich verbuchen. Die international geführte Debatte um das, was er gesagt und was er gemeint haben könnte, zieht weiterhin Kreise.

Was war passiert?

Der britische Filmemacher, 58, betrat die Oscar-Bühne in Los Angeles, nachdem sein in Auschwitz spielendes Holocaust-Drama als „Bester Internationaler Film“ ausgezeichnet worden war. Glazer wurde er mit stehenden Ovationen gefeiert. Dann verwies er auf einige Notizen, die er im Vorfeld vorbereitet hatte. Er bedankte sich artig bei allen Mitwirkenden, darunter Hauptdarstellerin Sandra Hüller, und zog sogleich eine Parallele zwischen „Zone of Interest“ und dem aktuellen Konflikt in Gaza. Nicht ganz unwichtig: Die Ansprache war angesichts des Publikumsapplauses und seines eigenen Nuschelns nur schwer zu entschlüsseln.

Amerikanische Showbiz-Medien wie „Variety“ oder „Hollywood Reporter“ haben den offiziellen Mitschnitt der Academy protokolliert. Glazer will mit seiner Aufarbeitung der Historie an der Jetztzeit andocken: „Nicht um zu sagen: ‚Schaut, was sie damals getan haben‘, sondern: ‚Schaut, was wir heute tun!‘ Unser Film zeigt, wohin die Entmenschlichung in ihrer schlimmsten Form führt. Sie hat unsere gesamte Vergangenheit und Gegenwart geprägt. Heute stehen wir hier als Menschen, die ihr Jüdischsein und den Holocaust ablehnen, der von einer Besatzung gekapert wurde, die zu Konflikten für so viele unschuldige Menschen geführt hat. Ob die Opfer des 7. Oktobers in Israel oder des andauernden Angriffs auf Gaza. Alle sind Opfer dieser Entmenschlichung …, wie können wir Widerstand leisten?“

Besonders das angeprangerte „Kapern des Holocaust“ von israelischer Seite löste wilde Kontroversen aus. Glazer selbst schwänzte laut Fachpresse nach der Trophäen-Verleihung den Presseraum hinter der Bühne. Seine ebenfalls jüdischen Produzenten James Wilson und Leonard Blavatnik verzichteten ebenfalls auf Statements. Bislang gab es keinerlei Interviews zu den Bühnen-Aussagen. Auch später lehnte es Glazer trotz Anfrage ab, sich erläuternd zu äußern.

Asif Kapadia, der 2015 den Oscar für den Besten Dokumentarfilm für „Amy“ gewann, sagte gegenüber „Variety“: „Er ist aufgestanden und hat die Wahrheit gesagt. Das ist es, was wahre Künstler tun.“ Jesse Peretz, Regisseur des Films „Our Idiot Brother“ und der HBO-Serie „Girls“ und Unterzeichner der Initiative „Artists4Ceasefire“ schloss sich dieser Meinung an: „Dies ist ein Fall, in dem eine nuancierte Sprache leider eine gefährliche Sache ist. Denn unsere starken Emotionen können dazu führen, dass wir die Bedeutung hinter Worten, die uns unangenehm sind, verbiegen wollen – so dass es einfacher wird, sie abzulehnen.“

Andere wiederum kritisierten Glazers Rede, wie etw der Geschäftsführer der „Anti-Defamation League“, Jonathan Greenblatt. Er schrieb auf X: „Es ist wirklich entmutigend, jemanden zu sehen, der den Holocaust wortwörtlich verharmlost, während er einen Preis für einen Film über den Holocaust entgegennimmt. Glazer spricht davon zu verstehen, wohin Entmenschlichung führen kann, ist aber blind für die Tatsache, dass es die Entmenschlichung von Juden und Israelis durch die Hamas ist, die zum aktuellen Krieg geführt hat. Um es klar zu sagen: Israel nimmt niemandem sein Judentum weg. Es verteidigt das Existenzrecht eines jeden Juden.“

Auch im Publikum taten Künstler und Künstlerinnen ihre Meinung zum Krieg gegen die Hamas kund. Mark Ruffalo, Billie Eilish und Oscar-Gewinner Mahershala Ali trugen einen Sticker von „Artists4Ceasefire“. Diese Initiative hat in einem offenen Brief an US-Präsident Joe Biden einen Waffenstillstand im Gazastreifen und die Freilassung aller Geiseln gefordert. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Jon Stewart, Ewan McGregor, Jennifer Lopez und Ben Affleck.

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