Parole: Haltet die www.-Diebe

Vor ein paar Jahren pries Smudo das Internet noch als Medium der Zukunft, doch der Musik-Klau per Web ließ ihn umdenken

Smudo ist stinksauer. Denn der Vorsänger der Fantastischen Vier schrieb schon E-Mails, als andere noch die Postkutsche benutzten und propagierte das Internet als Medium der Zukunft. Doch jetzt frisst die digitale Spinne ihre Propheten: Mit der Software von Napster können sich die Kids gegenseitig Songs von den Festplatten ziehen; selbst Metallica konnten ihren Fans nicht vermitteln, warum sie gegen den Raub an ihren Rechten juristisch zu Felde ziehen. An fast jeder Schulhofecke werden raubkopierte CDs angeboten; illegale Musikangebote schwirren durchs Web – und die Kreativen kucken in die Röhre!

„Hardware, Serviceleistungen und Provider werden anstandslos bezahlt, nur die Künstler nicht“, beklagt Smudo den derzeit gängigen Netzbetrieb. „Musik ist kein Sammelbildchen, das man mal so nebenher zusammenschnippelt! Dahinter stehen in der Regel Künstler, die ein Sendungsbewusstsein haben, die davon leben wollen und denen so der Rohstoff, mit dem sie eine marktwirtschaftliche Daseinsberechtigung haben, genommen wird.“

Den Musiker und Mitinhaber des Labels Four Music treibt nicht die Sorge um den eigenen Geldbeutel um, sondern die Verantwortung für „seine“ Künstler. „Die stehen Hände ringend da und sagen: „Ich war gerade bei einem Kumpel, da haben sie CDs kopiert. Was machen wir dagegen?‘ Und das, was da kopiert wird, lässt sich im Netz verteilen. Die Frage lautet: Wird es eine Entwertung des Immateriellen geben? Eine Stange Zigaretten kann man nicht auf Knopfdruck kopieren, wohl aber einen Song oder einen Film. Und das Einzige, was der Künstler oder Urheber hat, ist eben was Immaterielles.“ Gar nicht gut zu sprechen ist Smudo auch auf die Musikindustrie, denn „die hat dem Ganzen ja sogar dies glamouröse Image angehängt nach dem Motto ,Wir haben’s ja!‘ Popstars, Geld, Glamour – die Branche lebt von etwas, was ihr imagemäßig in einer Zeit wie dieser nicht mehr zuträglich ist“. Denn derlei Geprotze ermutigt Musikfans geradezu, geistiges Eigentum in Form von Musik zu stehlen. „Ich habe damit kein finanzielles Problem, und ich bin froh, dass ich meine Schäfchen im Trockenen habe. Aber ich fühle mich künstlerisch hintergangen, weil ich mich nicht als jemanden sehe, den man gegen leer tauschen kann.“

Hätte es vor zwölf Jahren schon das Internet mit seinen negativen Auswirkungen gegeben, vielleicht hätte es dann die Fantastischen Vier gar nicht gegeben: „Ich hatte damals noch nicht die Erfahrung von zwölf Jahren Band und acht Jahren Popstar und vier Jahren Label – das ist eine Ausbildung, bei der man Einiges mitbekommen hat. Ich hätte wahrscheinlich auch sozialromantisch einen auf ,Das Internet ist frei!‘ gemacht. Ich hätte mein Studium fortgeführt und mir gesagt: ,Okay, mit der Musik lässt sich wohl nicht richtig Geld verdienen.‘ Meine Wohnung könnte ich mir vielleicht noch so eben leisten, aber dann wäre vermutlich die Motivation, in der Branche weiter zu arbeiten, nicht so hoch.“

Nein, die Freude am Internet ist Smudo trotz der derzeit wenig trostreichen Lage nicht abhanden gekommen: Liebevoll pflegt er seine eigene Site www.smudo.com, von wo aus man durch seinen gesamten Kosmos surfen kann. „Das Internet ist halt ein tolles Ding, und es gibt ein großes Bedürfnis nach Nähe zum Konsumenten. Also haben wir auch bei Four Music eine Community, wo man sich austauschen kann!“ Smudo freut sich auf den Austausch mit dem kompetenten Musikfan, der „nicht mit Scheißhaus-Parolen um sich wirft“. Man sollte nur nicht versuchen, ihm Napster-Aktien zu verkaufen.

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