Happy Birthday, Neil Tennant – Pet Shop Boys im Interview: „Wir waren schon immer sehr deutsch“

Pet-Shop-Boys-Sänger Neil Tennant wird 61. Aus dem Archiv von 2009: Benjamin von Stuckrad-Barre im munteren Plausch mit Neil Tennant und Chris Lowe.

Pet Shop Boys

Der letzte wirkliche Pet Shop Boys-Hit – ich als Fan sage: „ Psychological“, „Minimal“, „Luna Park“, „Flamboyant“, „Home & Dry“, „I Get Along“, „London“, „Here“, „You Only Tell Me You Love Me When You’re Drunk“ und so weiter und sofort. Spreche ich mit Nicht-Fans, komme ich mit „She ’s Modonna“ von Robbie Williams, dem „Sorry“-Remix für Madonna oder dem „Read My Mind“-Remix für die Killers. Aber welches war der letzte richtige, faktische Hit, den man in solch eine DEUTSCHE Tabelle eintragen gönnte?

LOWE: Hast du die neue Platte gehört?

Natürlich, zu der kommen wir gleich.

LOWE: Die ist nämlich voll mit Hits.

Absolut.

TENNANT: Der letzte Hit in Deutschland? „Home And Dry“ war in Deutschland ein größerer Hit als in England.

Und in England? Nach irgendeinem vergeigten Fußballspiel war „ Numb“ kurz mal ein Hit, habe ich gelesen.

TENNANT: Ja, aber kein richtiger. Der letzte richtige Hit in England war die erste Single des letzten Albums, „I’m With Stupid“; Top Ten in den Verkaufscharts, Top Ten in den Radiocharts. Und das Video war eine Ewigkeit Nummer eins bei i-Tunes, weil darin diese beiden Typen aus „Little Britain“ mitgespielt haben.

Als es im letzten Jahr hieß, die Pet Shop Boys arbeiten gemeinsam mit dem Produzententeam XenoiTumia an einer neuen Platte, wurden die Fans nervös: Werden die Pet Shop Boys noch klingen wie die Pet Shop Boys? Wir können entwarnen: Tun sie.

TENNANT: Wenn wir mit Leuten zusammenarbeiten, meinen sie häufig, genau zu wissen, wie die Pet Shop Boys zu klingen haben. Wenn ich nicht selbst einer von den Pet Shop Boys wäre, hätte ich wohl auch eine ganz feste Vorstellung davon.

Alle neuen Songs haben diese klassischen Pet Shop Boys-Momente und Harmoniewechsel, weltumarmende Refrains, Chris-Autoscooter-Getute – und natürlich befinden sich in den Texten die P.S.B.-Schlüsselbegriffe wie Love, Darkness, Stranger…

TENNANT: Ein „Stranger“ ist auf diesem Album nicht dabei, glaube ich.

Aber ja.

TENNANT: Ehrlich wahr? Ein „Stranger“?

Mehrere. „Perfect strangers“ sogar.

LOWE: Tragen sie Mäntel, die „Strangers“?

„Strangers in overcoats hurry on home“-so hieß es in „One More Chance“.

TENNANT: Ich glaube, das letzte Mal, dass ein „Stranger“ auf einem Album von uns vorkam…

Strangers sind bei euch wirklich immer unterwegs. In „Domino Dancing“, in „Jealousy“, in „The Sodom And Gomorrah Shou.'“-und jetzt im Smasher „Pandemomum“: „I’m telling perfect strangers / That I love you“…

LOWE: Ich hoffe, wir haben auch „wine“ und „flowers“ nicht vergessen? TENNANT: „Flowers“ und „wine“ sind immer dabei.

In „Red Letter Day“ kamen die 1996 vor: „The flowers in the garden, The wine, The Waiting for Godot/ And so much modern time“? Und tatsächlich jetzt wieder in „The Loving Kind“, dem Hit, den ihr für Girls Aloud geschrieben habt: „I’ll buy you flowers I’Ill pour you wine/Do anything to change your mind.“

LOWE: Ohne „flowers“ und „wine“ geht gar nichts.

Auf „Yes“ haben wir also diese Pet Shop Boys- Klassiker-Begriffe wie love, light, darkness, night, heaven, heartbeat, dream, fantasy…

TENNANT: Fantasy? Bist du sicher?

Glaub‘ schon, ja. Augenblick hier, in „Beautiful People“ kommt sie vor, die fantasy: „Is it only fantasy To dream about a perfect me‘. Gibt es Momente im Studio, in denen einer von euch den anderen zurückhält: Come on, that’s too Pet Shop Boys…

LOWE (giggelnd): „Too Pet Shop Boys“ – guter Albumtitel.

TENNANT: „Too Pet Shop Boys“ – wirklich, ein großartiger Albumtitel, zumal wir ja auch zwei sind: „Two Pet Shop Boys“. Wir sollten unsere nächste Greatest-Hits- Platte so nennen…

LOWE: Und man sollte es als Zahl schreiben: „2 Pet Shop Boys“. Würde mir sehr gefallen.

Gibt es diese Momente? So in etwa: jetzt komm, Neil, dieser Text ist zu sehr Pet Shop Boys?

LOWE: Kommt schon vor, dass man sagt: That’s too much. Oder ich bitte Neil, einmal auf „flowers“ und „wine“ zu verzichten, hehehoho…

TENNANT: Diese Zeile in „Legacy“, dem letzten Lied der neuen Platte: „That Carphone Warehouse boy / Has been on the phone“, das konterkariert den zuvor angeschlagenen, fast sakralen Ton und bringt die Sache zurück auf die Erde, dieser „Carphone Warehouse boy“ am Telefon, der ist dann der Einbruch der Realität – das ist sehr Pet Shop Boys, denke ich. Aber: Es ist auch nicht zu Pet Shop Boys.

In dem Buch „Literally“ habt ihr zur Methodik der Pet Shop Boys gesagt, ihr würdet immer den jeweils aktuellen Dance-Sound für eure Platten benutzen, genau wie es die Beatles und die Bee Gees auch getan hatten.

LOWE : Stimmt aber eigentlich so nicht. Wenn man ein ganzes Album danach ausrichtet, wird es ganz bestimmt langweilig.

TENNANT: Statt „immer“ muss es wohl eher „regelmäßig“ heißen. Und dann stimmt es schon.

Und was ist der aktuelle Dance-Sound jetzt, im Winter 2009? Wie findet man das heutzutage heraus? Welchen Club könnt ihr empfehlen, welchen Radiosender? Ist das nun alles im Internet zu finden? Muss man gar nicht mehr das Haus verlassen?

TENNANT: Geh einfach auf die Seite „Beatport“ und hör dir die Dance-Top- Ten an. Ansonsten: Frag Brian Higgins von Xenomania.

LOWE: Der geht aber doch gar nicht aus. Hm. Ich gehe schon ab und zu noch aus. Und ich habe Freunde, die mir neuen Kram empfehlen: Minimal-Techno zum Beispiel…

TENNANT : Ein italienischer Freund von Chris ist in unserem Lied „Minimal“ zu hören. Der spricht nicht sehr gut Englisch, und Chris hat ihn dann mal angerufen und gebeten, mit seinem lustigen italienischen Akzent „Minimal“ zu sagen. (Er äfft nach:) „ Minnnimaal“. Bis heute weiß der nicht, dass er auf unserer Platte „ Minnnimaal“ sagt. Er hat dann das Telefon noch an eine Freundin weitergereicht, die das auch sehr schön sagen konnte – das ist die andere fremde Stimme im Refrain. Minnnimaal…

LOWE: So richtig viel aufregende Dance- Musik gibt es derzeit wirklich nicht. Dominiert nicht gerade die Charts…

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Tennant und Lowe von Rockmusik halten.

Catherine McGann/Getty Images
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