Postkarten fürs Paralleluniversum

Mit The KLF verbrannte James Cauty Geld und nahm getürkte Hits auf, nun fälscht er britisches Post-Eigentum

Wenn einer die Klappe zu weit aufreißt, alles hesser weiß, sagt ihm der Engländer gern: „Put your money where your mouth is!“ Simpel. Wahr. Kommt von der Rennbahn. Kommt gut, am Annahmeschalter für Wetten. Wo die Besserwisser lauter kläffen als die im Oval hechelnden Hunde.

James Cauty und Bill Drummond gibt man solcherlei Rat schon seit langem nicht mehr. Sie legten ihr Geld anders an. Zuerst verdienten sie es: Ende der 80er Jahre fanden sie, dass alle Sounds und Songs bekannt klangen, nahmen also ein paar – „Dancing Queen“ von Abba plus Samples von Led Zeppelin und Queen – und bastelten damit einen Hit. Als The KLF (= Kopyright Liberation Front). Ob sie vor, mit oder auf der Welle schwammen, die nach Acid House durch die Clubszene donnerte, ist im Rückspiegel kaum feststellbar, ist aber auch egal. Sie lieferten Hit um Hit, dazu auch gleich ein Buch, die Gebrauchsanweisung „Das Handbuch. Der schnelle Weg zum Nr. 1 Hit“. Was Drummond (Ex-A&R-Mann bei WEA) und der mit Killing Jokes Youth angespülte Cauty anfassten, wurde zu Gold. Sie waren der heißeste Act und wurden bei den Brit-Awards 1991 als solcher auch ausgezeichnet. Zur Feier des Tages engagierten sie als Backing-Band sogar richtige Musiker: Extreme Noise Terror. Die Thrash-Metaller, allesamt Vegetarier, hinderten The KLF daran, auf der Bühne ein Schaf zu schlachten. Also wurde das Schaf in den Foyer zur After-Show-Party gelegt, KLF verabschiedeten sich vom Musikbusiness und verschwanden.

1994 wurden die beiden wieder gesichtet. Auf eine Insel vor Schottland brachten sie mehrere Koffer voll Geld. £ 1.000.000. In Scheinen. Und steckten es in Brand. Es brannte nicht so schnell wie erwartet, aber es brannte. Und aus Asche wurde Asche. „Wir haben das gefilmt und sind damit dann getourt. Durch Jugendzentren und so. Das haben wir auch gefilmt, und das kam als „Watch The K Foundation Burn A Million Quid“. Dazu haben wir ein Buch gemacht, mit den ganzen Fragen, die gestellt wurden. Die Fragen waren oft interessant, denn sie sagen mehr aus über die jeweils Fragenden, deren Selbstverständnis, als über unsere Aktion. Wirklich interessant. Viel spannender als unsere Antworten. Die waren alle für die Tonne.“

Hat sich also am Ende wohl ausgezahlt, zumindest als Gag? Kopfschütteln. Oder als Happening, Kunst? Rock’n’Roll Punk? Cautys Mund bleibt zu. Punk, sicher, das war es, was ihn anmachte, was er wurde, als er nach London kam. Punk und die Lust an der Provokation, am Do-it-yourself, am Klauen und Kopieren und Umwerten und Wiederverwerten, das ist ein Thema all seines Schaffens. Sieht man mal ab von der Sache mit dem Turner-Prize, dem ultimativen Preis für britische Nachwuchskünstler. Cauty und Drummond schrieben einen alternativen Preis aus. Nicht für den besten Newcomer, sondern für den schlechtesten. Die Bildhauerin Rachel Whiteread gewann den offiziellen Preis, dotiert mit £ 20000; den Preis der K Foundation (£ 40000) gewann… auch sie.

Drummond und Cauty können seither anstellen, was sie wollen – ausstellen können sie selten. Denn das Kunst-Establishment bleibt ihnen verwehrt. Cauty macht vor allem Poster, Motive und Techniken zwischen Punk und Popart, Silkscreens, die über Blackoff und die Website picturesonwalls.com vertickt werden. Nun also: Briefmarken. Kann man davon leben? „Erfolgreich sind vor allem die verbotenen. Nur machen die nicht mich reich, sondern Ebay. Es ist halt nicht richtig Kunst. Deshalb zahlt keiner viel dafür. Und den Briefmarkensammlern gefällt das auch nicht so recht.“

Die Macher von „The Times“ fanden eine Marke allerdings aufregend genug, um sie großformatig auf der Titelseite zu bringen. „Hat mich überrascht. Hat alle überrascht. Angefangen hatte das mit den Marken damit, dass ich dieses Bild von den Twin Towers hatte, und ich dachte, damit müsste man was machen. So wie die meisten meiner Sachen hatte ich das auf Großformat, auf Leinwänden, mehrere Versionen, die ich mal so, dann so bearbeitete, immer wieder betrachtete – und durch Zufall ergab es sich, dass bei dem einen der Rand so ausgefranst war. Da dachte ich: Briefmarken! So fing das an.

Die Motive sind so, dass für jeden Geschmack was dabei ist, satirisch, auch politische Cartoons, manchmal mehr mit tagespolitischem Bezug. Einiges wegen dieser echt affigen Hysterie, dass wir in wenigen Minuten vom Irak angegriffen werden könnten, Giftgas über London -daher die Queen mit Gasmaske -, oder eben das durch Big Ben gehende Flugzeug.

Das Motiv mit der Queen führte zu großem Protest, was interessant war, was vor allem saudoof war: Wegen Verletzung des Copyright wurden wir angeklagt – und am Ende gezwungen, die Marke nicht länger anzubieten. Sie hatten nichts gegen die Message, sondern gegen die Tatsache, dass ich eine Briefmarke des Royal Postal Service eingescannt und dann bearbeitet hatte. Von Photoshop und digitaler Bildverarbeitung haben die keine Ahnung, nicht den blassesten Schimmer.

Während das vor Gericht verhandelt wurde, ermutigten mich manche, das weiter durchzustehen. Aber letzten Endes fragten mich meine Anwälte: Hast du es abgemalt oder eingescannt? Eingescannt. Daraufhin meinten sie, dass wir keine Chance hätten.“

Der Protest der Postbeamten klingt fast wie kopiert – von Abba 1987 bei deren Veto gegen „What The Fuck Is Going On?“ – das Album musste eingestampft werden. Vorher erhielten The KLF eine Goldene Schallplatte dafür, wollten die Agnetha Fältskog überreichen. Sie stiefelten einen Tag lang durch Stockholm, fanden die Sängerin nicht – und gaben das Ding einer Prostituierten.

Die Ausstellung „A Stamp Collector’s Guide To World Domination“ eröffnet am 6. Mai in der Berliner Dependance von The Aquarium, Falckensteinstr. 35, Kreuzberg. Infos unter www. theaquariumonline.co.uk

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