Prince und das legendäre „Black Album“ – mit dem Teufel im Bunde

Alben, die nie erschienen sind (II): Warum das "Black Album" von Prince nicht veröffentlicht wurde.

Teil 1 der Reihe „Alben, die nie erschienen sind“: die Beatles und „Get Back“.

Die ihrer Zeit begehrteste, unveröffentlichte Platte war „The Black Album“ Vielleicht auch deshalb: Das meiste auf dem Werk war nur Party-Kauderwelsch. „So you found me / Good, I’m glad / This is Prince / The cool of cools“. Puh. „Der Coolste der Coolen“. Meinte er das ernst? Solche Titel hören sich ja eher nach Schulhof-Held an. Zirka zwei Minuten lang hält Prince das Strophe-Refrain-Schema durch, dann bricht der Partyfunk aus, und der Mann ruft nur noch in die Menge. Wer weiß, wer da alles mit ihm in Studio gewesen ist, aber der Chor an Call-and-Response-Stimmen schwillt immer wieder an, unterbrochen nur durch den stoisch schlagenden Drumcomputer.

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„Le Grind“ ist der Opener der „Funk Bible“, besser bekannt als „The Black Album“. Dass dieses Stück auseinanderbricht, ist symptomatisch für die ganze Platte, vieles versandet in Effekten, Gewimmel, in einer großen Feier, die der Hörer nur von außen mitbekommt, oder dessen Codewörter er nicht versteht. Und das soll jene Platte sein, die über viele Jahre zur meistbegehrten, nur auf dem Schwarzmarkt erhältlichen Nicht-Veröffentlichung führte? Das LP-Cover selbst verriet nichts über die Party: Es ist eine, abgesehen von den Produktinformationen, schwarze Hülle.

Prince, 1987
Prince, 1987

Es sagt einiges über den Stellenwert von Prince Ende der 1980er-Jahre aus, dass das „Black Album“ schon früh den Legendenstatus erhielt. Als Warner Bros die Platte für kurze Zeit 1994 in den Handel brachte – wahrscheinlich, damit Prince seinen 1992 hoch dotierten Platten-Vertrag erfüllen konnte – war diese limitierte Edition schnell wieder vergriffen. Heute werden in Sammlerbörsen noch immer tausende Euro für die 1987er-Vinylfassungen geboten, peach oder black, selbst die 1994er-Vision rangiert dort hoch.

Die Ecastasy-Theorie

Gleichzeitig kursieren unzählige, absurd anzusehende Fälschungen (Cover-Foto von Prince als Hologramm!) in den Plattenläden, die ebenfalls horrende Preise veranschlagen; die Infoseite www.blackalbum.info hat sich deshalb gar zum Ziel gesetzt, Originale und Kopien zu identifizieren. Wer ein superduperhundertprozentig echtes „Black Album“ besitzt, entführt zum Beispiel aus dem WEA-Werk in Deutschland, darf noch immer einen Schatz sein Eigen nennen. Zumindest, was den Geldwert angeht.

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Das „Black Album“ befand sich 1987 bereits im Presswerk, als Prince die Veröffentlichung der LP mit seinen acht Songs zurückzog. Über die Gründe für den Stopp gibt es keine vom Musiker selbst bestätigte Aussage. Diejenige von den meisten Vertrauten als glaubwürdig betrachtete Theorie ist die „Ecstasy-Theorie“. Demnach habe Prince eine Pille eingeworfen und einen schlechten Trip erlebt. In einer Vision habe er die Stücke der Platte als bösartig wahrgenommen.

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Für diese Theorie spricht einiges: In einem späteren Interview gab der damals 29-Jährige zu Protokoll, dass er Angst empfunden habe, den Menschen nur für das „Black Album“ in Erinnerung zu bleiben, falls er kurz nach Veröffentlichung sterben sollte.

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Sicher handelt es sich bei dieser „Bibel“ um seine bis heutige aggressivste Platte. Stärker als je zuvor äußern sich hier Wut und Frustration. Warum? Man muss sich Prince 1987 auf dem Höhepunkt seiner Potenz vorstellen – dennoch durfte er nicht mehr machen, was er wollte. Nach dem Mega-Erfolg von „Purple Rain“ (1984) hat Prince drei herausragende Alben veröffentlicht, die Kritiker liebten ihn mehr denn je, Michael Jackson sah nur noch die Rücklichter. Aber jedes Prince-Werk verkaufte sich auch schlechter als das davor.

Kein Fan von „Sign ‚O‘ The Times“

Die Plattenfirma äußerte Bedenken, dass Prince zu viele Alben in zu kurzer Zeit veröffentlichte, und schritt nun erstmals ein. Sein Wunschprojekt „Crystal Ball“, eine Dreifach-LP, musste er zusammenkürzen zu „Sign ‚O‘ The Times“, einer Doppel-LP. Diese Platte, nur neun Monate vor dem „Black Album“-Termin erschienen, sollte für viele Rezensenten zum Referenz-Werk des Genies werden.

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Prince selbst hat lustigerweise „Sign ‚O‘ The Times“ nie wirklich gemocht. Kein Wunder, die Scheibe wurde ja schon vorab beschnitten, das muss ihn bei jeder Präsentation oder Lobhudelei geärgert haben. Nach der Auflösung seiner Band „The Revolution“ 1986 standen zudem etliche LPs in der Warteschleife, die bis heute nicht das Tageslicht erblicken sollten: „Roadhouse Garden“ und „Camille“ sind die bekanntesten. „Camille“ konzipierte Prince als alter ego, mit dem er seine Vorliebe für Geschlechterspiele ausleben konnte. Die Kunstfigur war weder Mann noch Frau, die Stimme durch Studiotechnik verfremdet und höher gestellt (der Effekt entstand zufällig, Prince mochte ihn). Eines der „Camille“-Stücke hätte es auf das „Black Album“ geschafft: Der Schluss-Song „Rockhard In A Funky Place“.

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Bei Prince hatte sich also einiges angestaut, nicht nur unveröffentlichtes Material, sondern auch der Wunsch es allen zu zeigen, die nicht mehr daran glauben wollten, dass er Platten verkaufen kann. Das kompakte „Black Album“ sollte für klare Herrschaftsverhältnisse sorgen.

Umso erschreckender, wie enttäuschend das Material war. „Cindy C.“ war aus demselben Holz geschnitzt wie „Le Grind“. Sexelei in allen Tonlagen, Jauchzen in verschiedenen, gepitchten Stimmen, am Ende versucht Schlagzeugerin Sheila E. die Lage noch mit einem Rap zu retten. Der klingt wie vom Blatt abgelesen, das macht es nur noch schlimmer. „Cindy C.“ hat seinen Wert als Zeitdokument, Prince schrieb es – chancenlos – als Hymne an die damals 18-Jährige Cindy Crawford.

Rap zum Fremdschämen

Den Offenbarungseid leisten zwei der folgenden Stücke. „Dead On It“ war Prince‘ erster HipHop-Song. Gedacht als Parodie auf ein immer populärer werdendes Genre, zu dem der Musiker selbst seit Beginn seiner Karriere 1978 keinen Zugang finden konnte, klang das Ergebnis albern, nicht lustig, dazu unprofessionell: „Negros from Brooklyn play the bass pretty good /But the ones from Minneapolis play it like it oughta should“. In Prince-Biografien gibt es sehr witzige Passagen, in denen die Aufnahme von „Dead On It“ beschrieben wird. Prince rappt im Studio, von sich selbst überzeugt, los – die Tontechnikerin hinter der Scheibe traut sich nicht einzugreifen, sondern vergräbt den Kopf in den Händen.

Ähnlich bemüht war „Bob George“, ein Spoken-Word-Track über einem Maschinengewehr-Beat, in dem Prince die Rolle eines herumballernden Musik-Impressarios einnimmt, über sich selbst herzieht („that skinny motherfucker with the high voice“) und am Ende, angekündigt durch Polizeisirenen, ins Gras beißt. Der Titel spielt auf „Bob“ Cavallo an, Prince‘ ehemaliger Manager, sowie Nelson „George“ ein Musikjournalist, der dem Sänger vorwirft, sich zu weit von seinen afroamerikanischen Wurzeln entfernt zu haben.

Prince 1988
Prince 1988

Und was macht Prince? Antwortet, wütend, mit diesem Hörspiel, das sich keinem so recht erschließt. Bei der „Lovesexy“-Tournee im nächsten Jahr ließ er es sich jedenfalls nicht nehmen, ausgestattet mit überdimensionierter Lollipop-Sonnenbrille und das Mikro im Griff wie eine Knarre, über die Bühne zu hetzen. Die Band musste sich Polizeimützen aufsetzen und Gitarrenhälse auf ihn richten, als seien es Gewehre. Wie die Hampelmänner. Und Zehntausende in den weltweiten Stadien blickten amüsiert zu ohne zu verstehen, was da vor sich ging.

HipHop im Nacken

Das alles hatte Prince, 1987 noch immer der beste Musiker des Jahrzehnts, nicht nötig gehabt. Vielleicht kam er ins Stolpern, weil er mit dem „Black Album“ wieder auf die Meinung von Kritikern reagieren wollte. Vielleicht hatte er auch den Atem des HipHop, die Musik der nachrückenden Generation, im Nacken gespürt.

Vom „Black Album“ schaffte es ein einziger Track, „When 2R In Love“ auf das stattdessen, sechs Monate später veröffentlichte „Lovesexy“-Album. Ein Werk, mit dem es Prince ein letztes Mal gelingen sollte die Kritiker umzublasen, und das ihn 1988 zumindest in Europa zum meist gefeierten Künstler werden ließ. Auch „Lovesexy“ hatte lange Songs, aber ausufernd waren sie nie.

Neben der „Ecstasy-Theorie“ zur Nichtveröffentlichung des „Black Album“ kursiert deshalb die ebenso populäre: Prince soll rechtzeitig vor Veröffentlichung erkannt haben, dass die Platte einfach nicht seinen Ansprüchen genügt. Zugegeben hätte er das nie.

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