Rare Trax

Mitte der Vierziger noch gettoisierte Minderheiten-Musik, entwickelte sich der genuin afroamerikanische Rhythm and Blues in den Folgejahren zum wohl einflussreichsten Genre der Unterhaltungsmusik und zum wichtigsten Einfluss des (weißen) Rock'n'Roll

Zunächst bezeichnete man die amerikanischen, genuin schwarzen Musikformen in den USA als „Race music“. Der damalige Journalist und spätere Stax-Produzent Jerry Wexler führte schließlich Mitte der Vierziger für die Vermischung von Gospel. Jazz und Blues den Genrehegriff „Rhythmand Blues“ – kurz R6s?B – ein. Wenige Jahre später übernahm auch das „Billboard“-Magazin diesen technischen Terminus, der tatsächlich zu Beginn nicht viel mehr war als ein Überbegriff für schwarze Unterhaltungsmusik. Aus dieser entwickelte sich dann freilich in den Fünfzigern der Rock’n’Roll, und viele R6?B-Klassiker der 40er und 50er Jahre wurden in den nachfolgenden Jahrzehnten vor allem von weißen Künstlern gecovert und sind heute so genannte Rock-Klassiker. Einige davon haben wir in den Original-R&B-Versionen auf unserer „Rare Trax“ versammelt. Für weitere Erkundungen des Genres bietet sich die „BlowingThe Fuse“-Reihe des Bear Family-Labels an. 16 chronologisch kompilierte CDs randvoll mit R6fB-Klassikern aus den Jahren 1945 bis i960, (www.bear-family.de) „Slow Down“, das unsere „Rare Trax“ eröffnet, gibt es in Versionen von Alvin Lee, Gerry & The Pacemakers und den Beatles. Letztgenannte coverten noch zwei weitere Songs des „Slow Down“-Autors LARRY WILLIAMS: „Bad Boy“ und „Dizzy Miss Lizzy“-jeweils gesungen von John Lennon, der für sein „Rock’n’Roll-Album Mitte der Siebziger auch noch den Wil-Hams-Klassiker“BonyMoronie“ aufnahm. „Slow Down“, unter dem Einfluss von Little Richard geschrieben und 1958 nur als B-Seite von „Dizzy Miss Lizzy“ veröffentlicht, ist jedoch wohl Williams‘ größter Moment.

„Fever“ stammt aus der Feder von Eddy Cooley und Otis Blackwell, der sich in der Autorenzeile allerdings hinter dem Pseudonym „John Davenport“ versteckt. Blackwell schrieb in den Fünfzigern u.a. einige klassische Hits für Elvis Presley („Don’t Be Cruel“, „All Shook Up“, „Return To Sender“) und Jerry Lee Lewis („Great Balls Of Fire“). „Fever“ erreichte zum ersten Mal in der Version von LITTLE WILLIE JOHN die R&BCharts, bevor es später von Elvis Presley über James Brown bis Michael Buble viele Interpreten zu stimmlichen Höchstleistungen veranlasste.

James Moore aus Lobdell, Lousiana, der in den 30er Jahren als Harmonica Slim in den Bars in Baton Rouge Mundharmonika spielte und Ende der Fünfziger von seinem Produzenten Jay Miller in SLIM HARPO umgetauft wurde, ist nicht gerade für seine große stimmliche Dynamik bekannt geworden. Sehr relaxt gab er sich in seinen Single-Hits „I Got Love If You Want It“ und „Im A King Bee“. Letzteres coverten die Rolling Stones auf ihrem Debütalbum. Acht Jahre später wagten sie sich auf „Exüe Or Main Street“ noch einmal an ein Harpo-Original: „Shake Your Hips“.

Wer den von Jerry Leiber und Mike Stoller komponierten Song

„Hound Dog populär machte, weiß natürlich heute jedes Kind: Elvis Presley, der aus dieser Steilvorlage 1956 einen seiner größten Hits machte. Die schwarze Bluessängenn WILLIE MAE „BIG MAMA“ THORNTON nahm den Songs schon vier Jahre zuvor mit der Band von Johnny Otis auf und landete damit im Februar 1953 auf der Spitzenposition der R&B-Single-Charts, wo der Song sich sieben Wochen lang halten konnte. Presleys Version führte insgesamt elf Wochen lang sowohl die Pop-, die R&B- und die Country-Charts an und hob somit die Trennung zwischen weißer und schwarzer Musik endgültig auf.

Der nächste Song auf unseren „Rare Trax“ wurde unter anderem Live und im Studio von den Grateful Dead, The Who, Lynyrd Skynyrd, den Animals und Soundgarden gecovert — und auch Creedence Clearwater Revivals „Suzie Q‘ basiert auf einem Riff aus „Smokestack Lightnin'“. Das Original stammt von ehester Arthur Burnett, der unter dem Namen HOWLIN‘ WOLF als Harmonikaspieler und Bluessänger auf viele Sixties-Acts einen enormen Einfluss ausübte. Auf seinem Album, „The London Howlin‘ Wolf Sessions“ spielten 1971 mit Eric Clapton, Steve Wi nwood, Charlie Watts und Bill Wyman einige seiner Schüler mit.

Der große Rfe?B-Songwriter Dave Bartholomew und Pearl King schrieben 1955 ihren Klassiker „I Hear You Knocking“. Overton Arnos Lemons alias SMILEY LEWIS war der Erste, der den Song aufnahm, bekannt wurde er aber vor allem in den Versionen von Dave Edmunds und Gale Storm.

Die Ursprünge von „C.C. Rider“ sind relativ nebulös. Die Bluessängerin Ma Rainey nahm bereits 1925 den Songs „See See Rider Blues“ auf, wobei „see see rider“ wohl synonym zu „easy rider“, also einer Dame, die es mit der Sexualität etwas leichter nimmt, verwendet wurde. Der Song wurde u.a. auch von Big Bill Broonzy, Mississippi John Hurt, Leadbelly und Lightnin‘ Hopkins gesungen. HAROLD „CHUCK“ WILLIS versah den alten Blues mit einem entspannten Beat, Vibrafon und Chor, landete damit einen veritablen Hit und inspirierte den Modetanz „The Stroll“. Auch Elvis Presley liebte diese R&B-Version und eröffnete seine Auftritte in späten Jahren gerne mit „C.C. Rider-.

Auch der nachfolgende Song steht eng mit einem Tanz in Verbindung: dem Hand-Jive. Sein Interpret JOHNNY OTIS begegnete uns auf diesen „Rare Trax“ schon als Produzent von Big Mama Thorntons „Hound Dog“.

In den Fünfzigern entdeckte er auch Ettajames und- als A6fR-Mann von King Records -Jackie Wilson, Hank Ballard und Little Williejohn. Als Performer hatte er seinen größten Hit mit „Willie And The Hand Jive“, später auch gecovert von Cliff Richard fe?Shadows.

Willie DLxon war Produzent beim Chess-und beim Checker-Label in Chicago und gilt als eine der Schlüsselfiguren des Chicago Blues. Viele Klassiker – etwa „Spoonful“, „Little Red Rooster“, „Bring It On Home“

– stammen aus seiner Feder und wurden zigtach gecovert. MUDDY WATERS war der erste, der sein „I Just Want To Make Love To You“ populär machte. Der Song erreichte 1954 Platz vier der „Billboard Black Singles“-Charts. Spätere Interpreten des Songs waren u.a. Etta James, die Rolling Stones und die Kinks. Die Violent Femmes adaptierten das Stück 1982 für ihren Hit „Gone Daddy Gone“. Als 1957 auf dem Label Flipside Records eine Single von RICHARD BERRY & THE PHARAOS mit dem Namen „Lome Louie“ erschien, ahnte noch niemand, dass dieser Song einmal zu einem der beliebtesten und meistgecoverten der Rock’n’RollÄra werden sollte. Die Single verkaufte sich zwar immerhin etwa 40 000-mal, doch nachdem weitere Hits ausblieben, verkaufte Berry seine Songrechte an Flipside. Erst 1963 landeten The Kingsmen mit ihrer Version des Berry-Songs einen Riesenhit – und das FBI ermittelte gegen die Single wegen versteckter Obszönitäten im Text.

Richard Berry ist auch im nächsten Song zu hören. Als Jerry Leiber und Mike Stoller für die Produktion ihres Songs „Riot In Cell Block #9“ mit der Coasters-Vorläufer-Band THE ROBINS eine Bassstimme brauchten, war Berry für das bedrohliche Intro genau der Richtige. Der Song wurde kein großer Hit, doch bei Interpreten war er durchaus beliebt, so interpretierten u.a. Wanda Jackson, Johnny Cash und Dr. Feelgood diese weniger bekannte Nummer des legendären Songschreiberduos.

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