Rasselnde Ketten

The Avett Brothers halfen bei der Nachvertonung von "Ain't No Grave". Seth Avett erinnert sich an die Arbeit mit Rick Rubin.

Mein Bruder und ich, wir sind auf dem Land aufgewachsen, ein Stück außerhalb von Charlotte, North Carolina. Die Gegend und ihre Geschichte sind untrennbar verbunden mit der alten amerikanischen Musik, mit Folk und Country. Während unserer Kindheit und Jugend waren wir ständig davon umgeben, die Songs waren überall – gerade weil wir nicht aus einer größeren Stadt kamen. Als wir noch jünger waren, wollten wir noch dagegen rebellieren, weil das natürlich die Musik unserer Eltern war. Wir spielten schwere, überladene Rockmusik, aber irgendwie war diese Art von Musik gegen unsere Natur – und gegen die Natur der Gegend, in der wir aufwuchsen. Es hat gedauert, aber irgendwann haben wir das erkannt.

An das erste Mal, dass ich eine Cash-Platte gehört habe, kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Mein Vater war ein großer Fan. Johnnys tiefe dunkle Stimme hat mich mein ganzes Leben lang begleitet – auch wenn ich ihn selbst erst relativ spät so richtig entdeckt habe. Erst durch seine Aufnahmen mit Rick Rubin bekam ich einen persönlichen Zugang zu seinem Werk. Am liebsten mag ich immer noch „American III: Solitary Man“. Erst durch dieses Album habe ich gemerkt, wie sehr ich Johnny Cash liebe. „Solitary Man“ gab auch den Anstoß, mich mit seiner gesamten Diskografie auseinanderzusetzen.

Unser letztes Album „I And Love And You“ haben wir zusammen mit Rick Rubin aufgenommen. Anfangs waren wir sehr nervös. Mitarbeiter von ihm sagten uns, er schätze unsere Musik und wolle uns treffen. Als wir ihn dann das erste Mal in seinem Haus in den Hollywood Hills besuchten, saßen wir nach kurzer Zeit gemeinsam auf seiner Veranda und sprachen über unsere Musik und unsere bisherige Karriere.

Am Ende sagte er nur, er wolle ein Teil eines neuen Kapitels unserer Geschichte werden. Es war fast so, als wären wir Nachbarn oder Freunde. Das ist generell seine Art – so sucht er sich die Leute zusammen, mit denen er arbeiten will, und so hat er auch stets die Musiker für die Cash-Platten rekrutiert: aus den Reihen seiner Freunde und Klienten.

Rick erwähnte während der Aufnahmen zu unserem Album, er würde noch an dieser letzten Cash-Platte „American VI: Ain’t No Grave“ arbeiten. Und er fragte, ob wir nicht Lust hätten, einen Percussionteil darauf zu spielen. Er sagte es ganz nebenbei, im Vorbeigehen, so als sei es das Normalste der Welt, Teil eines Cash-Songs zu werden. Ein überwältigendes, gleichzeitig aber auch schmeichelndes Gefühl. Natürlich haben wir sofort zugesagt!

Bald darauf waren wir im Studio. Es war ziemlich spät, wir hatten den ganzen Tag an unseren eigenen Sachen gearbeitet. Ich setzte die Kopfhörer auf und hörte Cashs brüchige Stimme den Titelsong „Ain’t No Grave“ singen. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter. Wir stampften zu dem Stück mit den Füßen auf dem Boden und rasselten gespenstisch mit Ketten. Es ist wirklich unglaublich und eine große Ehre, bei dieser Aufnahme dabeigewesen zu sein!

„I And Love And You“ erscheint am 19. März bei Sony Music in Deutschland

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