Red Hot Chili Peppers: Jeder Tag ein Sieg

In Hamburg präsentierten die Red Hot Chili Peppers ihr neues Album - mit einer großen, aber etwas zu harmlosen Show

Es gibt Ereignisse, die werfen so lange Schatten voraus, dass die Zwerge, die sie verursachen, kaum noch zu sehen sind. Es war ein lauer Abend in Hamburg, vor einem bunten Zelt namens „Fliegende Bauten“ war ein langer roter Teppich ausgerollt. Um ihn herum standen viele, viele Menschen, die Einlass begehrten zum vorerst einzigen Deutschland-Konzert der Red Hot Chili Peppers. Doch es durften nur Gewinner von diversen Verlosungen hinein und so genannte VIPs. Mancher war derart prominent, dass er nur von den Dutzenden Fotografen erkannt wurde, aber einige andere waren dann doch leicht auszumachen. Der überall anwesende Reinhold Beckmann, die genauso unvermeidliche Jasmin „Blümchen“ Wagner. Die Fantastischen Vier guckten sich die Sause mal an, auch das Grand Hotel Van Cleef hatte einen Betriebsausflug gemacht. Muse-Sänger Matthew Bellamy stand verloren zwischen Häppchen und Freigetränke-Stand herum, Mousse T. und HSV-Stürmer Sergej Barbarez amüsierten sich gut. Wladimir Klitschko durfte sie sogar treffen, die Hauptpersonen des Abends. Wer war das noch mal? Ach ja, die Chili Peppers. Seit wann sind die eigentlich die größte Rockband der Welt – oder werden zumindest so verkauft? Ungefähr seit dem grandiosen „By The Way“, seit sie gesund leben und alle Konzerthallen ausverkaufen, seit sie nicht nur kräftigen Funkrock können und reizende Balladen, sondern auch konsensfähige Monster-Hymnen, die wirklich keinen mehr ausschließen. Dass das neue Album „Stadium Arcadium“ nun nicht ganz so ingeniös ist, wusste zu diesem Zeitpunkt kaum einer. Auch gab es nur wenige Interviews mit den notorisch auskunftsfreudigen, aber etwas phlegmatischen Künstlern. Die Plattenfirma hatte eine sehr überschaubare Anzahl von Gesprächen im heimatlichen Kalifornien anberaumt, und dennoch drohte bereits die Redundanz zahlloser Titelgeschichten in aller Welt. Wer einmal John Frusciante getroffen hat, weiß: Wer sich auf Gitarristen-Fachsimpelei und Technik-Diskussionen einlässt, hat verloren und wird mit Monologen nicht unter 15 Minuten bestraft. Wer Glück hat, kriegt faszinierende Geschichten von Geistern und inneren Stimmen, aber das kennen wir ja alles schon. Sänger Anthony Kiedis hat leider in seiner Autobiografie „Scar Tissue“ bereits zu viel erzählt. So unreflektiert und prahlerisch berichtet er da von Drogen-, Sex- und anderen Exzessen, dass keine Fragen übrig blieben. Außer: Warum hat ihn keiner gestoppt?

Also zurück zur Kernkompetenz dieser Band. Wenn die Chili Peppers auftraten, gab es bisher nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie kamen nicht in die Gänge, fanden nur falsche Töne und mühten sich ab – oder sie explodierten wie ein Feuerwerk, raubten allen den Atem und entließen einen glücklich erschöpft. In Hamburg gab’s jetzt die dritte Alternative: ein solides, gerade mal eineinhalbstündiges Konzert ohne nennenswerte Aussetzer, aber auch ohne extreme Höhepunkte. Mit „Can’t Stop“ ging es schwungvoll los, die neuen Songs „Charlie“, „Tell Me Baby“ und „She’s Only 18“ kamen gut an – möglicherweise konnte manch einer sie gar nicht von den älteren Klopfern unterscheiden. Auch „Dani California“ war ein Selbstgänger, die fast schon klassischen Funkrock-Nummern können die vier im Schlaf.

Am bewegendsten (wenn wir nicht von Zucken und Mitwippen sprechen) waren die Momente, die improvisiert wirkten und eben nicht tiptop professionell. Bassist Flea stimmte „The Needle & The Damage Done“ an und widmete es dem anwesenden Boxer: „Congratulations to Klitschko for winning. Congratulations to everyone for being alive. Congratulations to me for being able to play with my buddies.“ Worauf Kiedis, immer für ein Klischee gut, verkündete:

„Everyday is a victory!“ Und Flea konkretisierte: „Every day not in jail, every day not in hospital.“ Viel mehr wurde nicht geredet, Kiedis spuckte lieber ein bisschen auf den Boden, hampelte herum, zerriss sein Shirt. Später sang Frusciante noch „How Deep Is Your Love“, ganz zart und hoch, und alle outeten sich als Bee Gees-Fans.

Am Ende vertrauten sie dann doch auf die üblichen Hits: „Californication“, „By The Way“ und als Zugabe „Under The Bridge“, schnell noch das wuchtige „Power Of Equality“, und Schluss. Die Peppers sind immer noch erstaunliche Energiebündel, sie werden mit „Stadium Arcadium“ wieder unglaubliche Erfolge feiern – aber die allergrößte Rockband dieses Planeten sind sie nicht. Der am häufigsten gehörte Satz nach diesem Konzert, genau wie nach dem Hören des Albums:

„Sehr, sehr gut, aber richtig berührt hat es mich nicht.“ Dafür hätten sie einen Schritt weiter gehen, ein Risiko wagen müssen. Aber wahrscheinlich ist es für diese Typen schon ein Triumph, dass sie jetzt ihre Fähigkeiten vernünftig verwalten können, ohne jeden Morgen Angst zu haben, dass einer heute nicht mehr aufwacht.

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