Reelin‘ In The Years

Volume 10

Die Redaktion befindet sich in einem grauen, baufälligen Bunker in Giesing; am Ende des Ganges in der dritten Etage waren noch ein paar Zimmer frei. Mit dem Hausmeister, einem grantigen Sachsen, kaufe ich im Supermarkt einen Fernseher und ein DVD-Gerät. Er schweigt während der Fahrt in seinem Auto. Sonst pöbelt er oft; bei der Weihnachtsfeier wird er zum wilden Mann. Die Auflage der Zeitschrift pendelt sich knapp über der Raumtemperatur ein; der frühere Verleger traute nur Statistiken, die er selbst erstellt hatte.

Reise zum Konzert von Jackson Browne nach Hamburg. Tatsächlich will ich auch mit der U2 (das ist eine U-Bahn) zum Gänsemarkt fahren und zur Musikhalle gehen; dann den weiten Weg zurück zu dem Vorort, wo ich so lange gewohnt hatte. Vor Mitternacht am Hauptbahnhof die Nachricht in der Zeitung: Das Ultimatum der Amerikaner an den Irak läuft in der Nacht aus. Um drei Uhr morgens schalte ich den Fernseher ein, die Truppen marschieren bereits. Wie 1991 gibt es nur ein paar grünliche Bilder. Bald heißt es, du amerikanischen Soldaten träfen kaum auf Widerstand, bald werde man in Bagdad sein. Das dauert doch noch etwas länger – und dann beginnt der wahre Krieg erst.

Im Herbst noch einmal eine Reise nach Hamburg: Bob Dylan im Docks, Elvis Costello im Schauspielhaus – umgekehrt wäre es auch denkbar gewesen. Dylan vermufft langsam auf der Bühne und verschleudert stoisch seine Legende, während die Jünger im Publikum irrwitzig und abwegig über Interpretation und Instrumentierung, Setlist und List deliberieren. Costello ist wieder verliebt (in Diana Krall), tritt im Smoking auf und singt „In The Mood Again“: ein Operetten-Buffo als Glücksbärchi.

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