Reeperbahn-Festival – Reeperbahn, Hamburg

Viel Musik und etliche Heimsiege - 207 Konzerte gingen beim ersten Reeperbahn-Festival über die Kiez-Bühnen.

Gute Idee, eigentlich: ein Live-Musik-Spektakel auf der Reeperbahn. Die amorphe, viele Klischees bedienende Kiez-Folklore, dieser glamouröser Noblesse völlig unverdächtige Ort. Diese seltene Ballung von großen und kleinen Clubs, plüschigen Theaterbühnen und Kaschemmen mit Fischbratküchen-Flair ist ja wie geschaffen für eine Entdeckungsreise in die Tiefen des popmusikalischen Spektrums. So wiesen die Veranstalter auch explizit auf ihre Ambition hin, dem texanischen Vorbild South By Southwest nacheifern und somit implizit auch eine hanseatische Alternative zur zeitgleich in Berlin stattfindenen Musikmesse Popkomm liefern zu wollen. So schürt man natürlich die Erwartungen Gegen das auf 1400 Shows angewachsene Programm in Austin sind die 21 Spielstätten und die auf drei Tage verteilten 207 Konzerte in Hamburg natürlich recht bescheiden. Was die Besetzung angeht, setzte man – abgesehen von einigen großen Namen wie Arrested Development, Patrice oder Sasha – konsequent auf integren, meist künstlerisch hochwertigen Mittelbau vom Schlage Matthew Herbert, Seachange, Tomte oder Deichkind und auf Newcomer wie Paolo Nutini (für die Mädchen) und The Rifles (für die Jungs).

Auch wenn Chikinki mit hippem, substanzlosem Gezappel enttäuschten und Nerina Pallots Songs allzu trivial rüberkamen, war das Festival an Höhepunkten nicht arm. Da waren etwa The Rapture, deren ekstatischer Dance-Rock das Publikum geschlossen zu hedonistischen Lockerungsübungen veranlasste. Boy Omega, die allgegenwärtigem Eskapismus Wahrhaftigkeit und Herzensbildung entgegensetzten. Oder Missouri, die sich freudvoller denn je ihrem Bohemien-Groove widmeten. Ansonsten: Heimsiege der lokalen Helden zuhauf.

Blumfeld gaben sich ihren Zuhörern inklusive Kultursenatorin gut gelaunt und mitreißend, wie man das mittlerweile von ihnen kennt, die Sterne luden mit juvenilem Spielvergnügen zu einer rauschhaften Reise durch ihren Werk-Kosmos ein, samt Sangesbeteiligung des frenetischen Publikums und einem unterzuckert vom Drum-Hocker plumpsenden Christoph Leich.

Fulminantes auch von Tocotronic, die kurz vor den Aufnahmen zum nächsten Album noch einmal eine heimatliche Bühne betraten. Sonst nicht als Rampensäue verschrien und dem Ruch des Rockismus abhold, geriet ihre Best-Of-Show zu einem bombastisch intonierten Triumphmarsch, der Band und Zuhörer selig verschwitzt vereinte und auch die Weltpremiere des neuen Songs „Verschwör dich gegen dich“ großbühnentauglich in Szene setzte.

Musik war beim Reeperbahn-Festival im Überfluss vorhanden, Publikum nicht. 9000 zahlende Besucher, ein eher mittelprächtiger Zuspruch. Man sei trotzdem „zufrieden mit dem Verlauf, so die Veranstalter, „ein guter Anfang ist gemacht“.

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