Rekorde – und endlich wieder Ruhe

„Zahlen, fast nicht als Zahlen. Rekorde. Schon im Schrecken überboten sich täglich die Summen. Hybride 200 Millionen Dollar soll „Titanic“ gekostet haben, als der Film schließlich in den Kinos anlief. Mittlerweile hat er in Amerika fast 600 Millionen eingespielt und noch mal mehr als eine Milliarde Dollar im Rest der Welt. Hierzulande haben 16 Millionen zugeschaut, viele nicht nur einmal, bis seine vierteljährige Dominanz von „Scream 2“ gebrochen wurde, Verleiher mußten ihre Filme verschieben oder in kleineren Sälen starten, da Kinobetreiber den begehrten Schinken nicht rausräumen wollten. Regisseur Cameron, der seine Gage (schon das eine Geste von der Größe eines biblischen Fanals) opferte, um seinen Traum trotz unkalkulierbar gewordener Kosten beenden zu dürfen, wurde später generös mit 100 Millionen Dollar Prämie bedacht. „Titanic“ erhielt mit elf Oscars ebenso viele wie Spitzenreiter „Ben Hur“, darunter für den Soundtrack, der sich rund 20 Millionen mal verkaufte. Ein Jahr zuvor hatten viele Plattenfirmen, denen James Horner seine Komposition für eine Million Dollar netto anbot, nicht einmal zurückgerufen. Cameron hat sogar den ersten director’s cut (also die ganz persönliche Fassung!) vorgelegt, der kürzer ist als die erste Version: mehr Action, weniger Schwulst! Doch alles das war nur die Spitze des Eisberges. Die Bugwelle der „Titanic“ schäumte im medialen Automatismus („Das wollen alle lesen!“) einen Kaventsmann hoch, auf dem der Opportunismus surfte. Magazine kramten wieder einmal Gefühlsphilosophien (Millennium!) gegen die Vernunft hervor. Seriöse Kritiker, die zu Recht harsch über das megalomanische Melodram geurteilt hatten, verfielen in verzückte Lobpreisungen. Im Sog dieses sinkingfeeling konnte man Freunden nicht mehr trauen. Als „Titanic“-Verächter fühlte man sich, als sei man der einzige hartherzige Mensch, weil man sich nicht von den billigen Gefühlsmanipulationen beirren ließ: Massensuggestion. Jetzt ist wieder Ruhe. Endlich. Wie in den Tiefen des Ozeans.

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