180 :: Der Gitarrenrock der Londoner ist so intensiv wie flüchtig

In unserer kleinen Rolling Stone-Reihe zum Zustand der modernen Männlichkeit im aktuellen Gitarrenrock kommen wir heute zu den Palma Violets und ihrem Debütalbum „180“. Bereits mit der ersten Single-Auskopplung „Best Of Friends“ hat das Londoner Quartett im Dezember für einiges Aufsehen gesorgt; in dem Song äußert Sänger Sam Fryer den Wunsch nach inniger Freundschaft zu einem Mädchen, ohne diese jedoch zu einer erotischen Beziehung ausweiten zu wollen: „I wanna be your best friend/ I don’t want you to be my girl.“ Zu hymnisch emporstrebenden Gitarrenläufen besingt er mit gleichermaßen heiterer wie heiserer Baritonstimme die sexuelle Enthaltsamkeit.

Diese heiter-zufriedene Höflichkeit gegenüber anderen Menschen ist typisch für das gesamte Album der Palma Violets, die in ihrem Heimatland bereits als die neuen Strokes oder Libertines gehandelt werden. Die dekadente Verpeiltheit von Pete Doherty fehlt ihnen freilich ebenso wie das Schweinigeltum von „Is This It“; Rimbaud-Zitate wird man bei den Palma Violets nicht finden und auch keinen nackten Po auf dem Cover. Dafür singen sie die herrlichsten unsarkastischsten Hymnen, die man sich vorstellen kann; das Tanzen in der Sonne wird ebenso thematisiert wie die Freude am Fahren auf einem Highway.

Dass der „NME“ die Band nun zur Speerspitze einer neuen Gitarrenrock-Renaissance in den Hitparaden ausruft, ist natürlich Unfug; es wird keine Gitarrenrock-Renaissance mehr geben, weder in den Hitparaden noch sonst irgendwo. Auch glaubt man beim Hören dieser tollen und intensiven Platte in keinem Moment, dass auf sie auch nur ein zweites interessantes Werk folgen könnte. Es gibt keine Entwicklungsmöglichkeiten in dieser Musik; man könnte auch sagen: Es ist Musik für die Gegenwart. Einen Wimpernschlag der Geschichte erklärt sie uns die Welt oder zumindest das Wesen des modernen Mannes. Um dann wieder heiter, zufrieden und höflich im Vergessen zu verschwinden. (Rough Trade/Beggars) Jens Balzer

Ólöf Arnalds

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