45 R.P.M. von Wolfgang Doebeling

Es waten die Honigmelodien hinter der raspelnden Feedback-Fassade, die sie Mitte der Achtziger zu einer Macht machten. Jetzt melden sich THE JESUS AND MARY CHAIN zurück, auf ihrem alten Label Creation, jedoch ohne Fuzz-Orgie und ohne einen Tropfen Honig. Wer eine Fortsetzung von „April Skies“ erhofft hatte, wird also enttäuscht sein von „Cracking Up“. Doch die Single hat Klasse, auch wenn an die Stelle liebgewonnener Sound-Charakteristi- ka ein dunkles Klopfen aus Moll-Piano und scheppernden Gitarren getreten ist, obwohl der Song melodisch monoton daherpoltert und der Text nicht viel mehr hergibt als die Synonymie von „priest“ und „freak“. Was die Gebrüder Reid der Konkurrenz immer noch voraus haben, ist ihr Haß aufs Popgeschäft und, in den Rillen ihrer Scheiben, dunkle, bedrohliche Vibrationen. 4,0

Nur einen Steinwurf entfernt von den spartanischen Reids leben und wirken THE RADIO SWEETHEARTS, Schottlands Antwort auf Englands Rockingbirds. Country-Pubrock ist also ihr Metier, und sie betreiben es mit Stilwülen und Hingabe, so auch auf ihrer live aufgenommenen Cover-Version von Tbwnes Van Zandts „White Freight Liner Blues“ (Flotsam & Jetsam). Wie auf allen Veröffentlichungen der Club-Beatroot-Serie gibt es auf dem Sleeve ein Veganer-Rezept Hochanständig alles. 4,0

Die famosen CONTINENTAL DRIFTERS aus New Orleans covem derweil den Fairport Convention-Klassiker „Meet On The Ledge“ (Black Dog). Susan Cowsill und Vicki Peterson schlüpfen in die Rollen von Ian Matthews und Sandy Denny, und das ganze Unterfangen sprüht vor Musikalität und glüht vor Respekt. Die andere Seite, Vickis „Christopher Columbus Transcontinental Highway“ ist gar noch fulminanter, die Drifters auf Vinyl fast so heiß wie auf der Bühne. Greatstuff. 4,5

Bleiben wir bei coolen Cover-Versionen: THE NIGHTCAPS nehmen sich Lee Hazlewoods „The Last Of The Secret Agents“ an, die Vocals klingen frappierend nach Nancy Sinatra, und die Caps spielen adäquat kantig, wie im übrigen auch auf der A-Seite „You Lied“ (Estrus), einem kratzig-alternativen Mix zur runderen Album-Variante. 4,0

Und noch ein Cover, diesmal allerdings aus der Abteilung „pretty strange“: THE DERAILERS sind eine Honky-Tbnkabilly-Band aus Austin, Texas (die beste!), wohingegen „Raspberry Beret“ aus der Feder jenes Mannes stammt, der sich gegenwärtig The Artist nennt (The Guy Formerly Known As The Artist wäre passender). Eine unwahrscheinliche Kombination, die aber funktioniert, weil „Beret“ zum Rock’n’Roll taugt und den Twang mühelos verkraftet. Die Single (Watermelon/Sire) gibt es in zwei Ausgaben, einmal in grünem Wax mit dem gediegenen Country-Rocker „California Angel“ auf der A-Seite, zum anderen rot mit dem prägnanten Roller „Come Back“. Wie gesagt: pretty, aber stränge. 4,0

Straighten, authentischen Hillbilly-Swing spielen die HORTON BROTHERS (featuring Shaun Young, Ex-High Noon) auf „Jack In The Boogie Box“ (EccoFonic), absolut zeitlos und ewig erquicklich, was auch für die beiden Flipsides Just A-Pickin‘ & A-Slappin'“ und „Roll, Hot Rod, Roll“ gilt. 4,0

Die Debüt-Single von SILVERBUL-LIT aus Schweden zerfallt in zwei sehr unterschiedliche Hälften: den rasenden, überdrehten Garagen-Heuler „King Of The Line“ (Clearspot/EFA), ein Original, und eine atmosphärisch sehr gelungene Version des 13th Floor Elevators-Pastoral-Stücks „I Had To Tell You“, die nur dadurch ein wenig leidet, daß der Sänger mit dem „th“ auf Kriegsfuß steht. 3,0

Vier quirlige, so kurzweilige wie konsequenzlose Pop-Nummern bietet die „Here Come The Ducks“-EP (Jarmusic) von YAZBEK. Der heißt mit Vornamen David und arbeitet hier mit einem seiner großen Vorbilder, dem XTC-Vordenker Andy Partridge. Und so klingt’s dann auch: immens ausgefeilt und natürlich ausgesprochen interessant. 3,0

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