45 RPM von Wolfgang Doebeling
Wow! Man stelle sich eine gelungene Kreuzung vor zwischen dem schneidigen Garagen-Beat der Prisoners und dem eleganten Gitarren-Klassizismus der Distractions: THE BLUETONES aus dem Londoner Westend sind ebendas. „Are You Blue Or Are You Blind?“ (Superior Quality) ist für eine Debüt-Single beängstigend perfekt, vom kräftig perlenden Sound über den Aggro-Text, den Gesang Marke angry young man, den Flowerpower-Ba-Ba-Ba-Break, die Squeeze-melodische B-Seite „String Along“ bis zum wunderbar stilsicheren Pic-Sleeve. Wie gesagt: wow! 4,5
Laut, aber reichlich lau ist leider die neue VERUCA SALT-45 „Vitriola“ (Hi Rise). Grunge-by-numbers, müdes Hard Rock-Gehämmer und entnervendes Gegreine. So jung und schon zum Klischee erstarrt. 2,0
Gegen den Strom schwimmen THE DELGADOS aus Glasgow. Mit ihrem verzerrten, famos-dissonaten Dilettanto-Punk wären sie 1979 nicht allein gewesen, heute aber klingt „Monica Webster“ (Chemikal Underground) schon wieder originell und auf kratzige Art charming. 3,5
Es war eine konzertierte Kampagne der Weeklies, die MENSWEAR in die Charts gespült hat. Nachdem man aber monatelang aufs Hörensagen angewiesen war, geht es jetzt Schlag auf Schlag. Erst wenige Wochen liegt die erste 45 zurück, da schiebt das smarte Quintett mit „Daydreamer“ (Laurel) bereits die nächste nach, härter noch, minimalistisch riffend wie Elastica und melodisch eng an Roxy Music angelehnt. Und leider weniger streng limitiert (7500). Goodluck. 4,0
Vor zehn Jahren waren THE JE-SUS & MARY CHAIN nicht weniger als die Speerspitze des Brit-Pop und „Never Understand“ und „You Trip Me Up“ hatten nahezu prophetische Qualitäten. Die Vorreiterrolle haben sie längst verloren, doch ist ihre Wut auf Dummheit im allgemeinen und schlechte Musik im besonderen keineswegs verraucht Also pissen die Gebrüder Reid in ihrem neuen Feedback-Opus „I Hate Rock’n’Roll“ (Blanco Y Negro) wieder auf das Music-Biz. Irreführend ist lediglich der Titel dieser lOinch, denn gerade weil sie Rock’n‘ Roll so lieben, ist ihr Haß auf die Manipulationen und Profiteure so abgründig und glaubhaft. 4,0
In des Wortes eigentlicher Bedeutung abgründig und gruselig sind die vier Cuts auf der 7inch-EP „Death Letter Requiem“ (One Million Dollar) von HANK RAY. Nick Cave meets Lee Marvin, wenn der ehemalige Raymen Sänger mit Grabesstimme die Geister der Sons Of The Pioneers beschwört Es waren einst die Legendary Vampires, die diese dunkle, derangierte, intellektuell gebrochene Spielart des Country & Rockabilly zur (giftigen) Blüte brachten. Schaurig schön, daß die Tradition weitergeführt wird. 4,0
Düster und geübt hohlwangig blicken auch die DESERT RATS aus Kalifornien vom Cover-Photo ihrer zweiten Single, und der Text von „Didn’t Have A Clue What I Could Do“ (Street Parade) hat durchaus bedrohliche, ja mörderische Konsequenzen in bewährter Psycho-Manier. Die flauschige, allzu frivole Musik mit Schunkel-Akkordeon und Cheerleader-Gejohle signalisiert dann aber doch eher Tanzbarkeit und Saturday Night Fun. Very stränge indeed. 3,5
Straighten Spätsiebziger-Mod-Pop offerieren THE CHOSEN aus Schottland auf „New World“ (Detour), die Gitarren scharf wie ihre Bügelfalten und musikalisch überaus energisch und korrekt, aber ideenarm und zu nah dem Revival vom Revival, Smartness ist nicht alles. 3,0
An „Count The Days“ (Edel) von THE NEW POWER GENERATION wirkte DAS SYMBOL, DAS PRINCE WAR mit. Die emphatisch gekeuchte Soul-Schnulze ist so mellow wie schon lange kein Prince-Song mehr. Dazu gibt es das jazzige Instrumental „New Power Soul“. Dennoch: Die Tage des Phantoms sind gezählt. 2,0