Alabama 3 – La Peste

Just because I burnt my bible, baby, it don’t mean I’m to sick to pray.“ Der Refrain dieser Alabama 3-Single klingt wie Tarrou, der in Camus‘ »Die Pest“ vor dem Problem steht, ohne Gott ein Heiliger werden zu wollen.

Statt vor der Seuche zu resignieren, wird er aktiv, tut für seine untergehende Umwelt, was er kann – und stirbt an der Pest, als sie eigentlich schon besiegt ist. Auch wenn die Welt vielleicht nicht zu retten ist, versuchen Alabama 3 ihr Möglichstes: Der Bandname verweist auf die Alabama 2, zwei junge Schwarze, die in den 30er Jahren zu Unrecht wegen Vergewaltigung einer weißen Frau gehängt wurden. Außerdem geben sie Paddy Hill, einem der Überlebenden der Birmingham 6, in „The Thrills Have Gone“ eine Stimme und verweisen durchgängig auf die eschatologischen Zeichen an der Wand. „Ich denke, wir nähern uns den Seuchenjahren, einem Zeitalter der Viren. Und wenn man von Seuche spricht, kann das genauso HIV, Ruanda oder Bosnien bedeuten wie die Tatsache, dass der technische Fortschritt eine riesige Unterschicht schafft, die völlig chancenlos ist“, sagt The Very Reverend Dr. D Wayne Love, einer der beiden Alabama-3-Köpfe. Die Band aus dem Süden Londons transportiert ihre Botschaft auf „La Peste“ klassisch postmodern – durch die ständige Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Nicht nur in den Texten geistern Hank Williams, Bessie Smith oder Robert Johnson herum wie die Geister lieber Urahnen durch die „Basement Tabes“. Die Stücke werden immer wieder durch Lehrbuch-Slidegitarren oder Akustik-Elemente in der Blues- und Folk-Vergangenheit geerdet, und fast in Moby-Manier durch Rave-Beats angetrieben. Titel wie „Mansion On The Hill“, „Sad Eyed Lady Of The Lowlife“ oder „Cocaine (Killed My Community)“ aktualisieren die Rock-Tradition, auch wenn allen klar ist, dass John Lennon 1967 gelogen hat“ und „Sergeant Pepper uns heute nicht helfen kann“ (wie es in „2129“ heißt, einem Stück voller dylanesker Bibelbilder).

Als Ausweg bleibt die Ironie: Anders sind der gebetsmühlenartige Einsatz von Gospelchören, Kenny-Rogers-Zitate oder der spaßig-schlichte Uptempo-Rocker „Wade Into The Water“ nicht zu erklären. Wenn das alles nicht gerade wie Sigue Sigue Sputnik klingt oder die klägliche „Hotel California“-Coverversion läuft, hat Steve Jones ein richtiges Meisterwerk mitproduziert. Da sich der Chemical Brothers-Mixer als Einziger weigerte, im Studio Stetson zu tragen, dürfte er für den weitgehenden Abschied von den Redneck-Klängen des Vorgänger-Albums „Exile On Coldharbour Lane“ und den sehr viel dichteren Sound verantwortlich sein. Britanniens merkwürdigste und unbritischste Truppe.

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