Alternativen von Michael Ruff

Was wären wir ohne I Ring-Modulatoren, Harmonizer, Echo-Geräte und all die anderen wunderbaren Errungenschaften der elektrischen Musikwelt! Wenn man erfährt, daß auf der CD der Spaceheads (von den Schlaginstrumenten abgesehen) so gut wie alle Sounds aus einer Trompete kommen, fällt einem erstmal die Kinnlade runter. Der betreffende Solist heißt ANDYDIACRAM und ist höchstens ein paar Artenforschern vielleicht noch als Mitglied der lange vergessenen Diagram Brothers ein Begriff. Ein Miles Davis ist er sicher nicht, doch was die Ausschöpfung der klanglichen Möglichkeiten seines Instruments angeht, hat sich bislang niemand so weit vorgewagt zumal es hier weniger um experimentellen Jazz geht. Dafür wird dem Hörer ein verzwickt groovendes Konglomerat serviert, bei dem hinter allen Dub-Industrial-Einflüssen und überdrehten Jungle-Beats stets die britische Comedy-Tradition spürbar ist. 3,5

Nach diesem Klangerlebnis ist man sogar bereit zu glauben, daß ein gewisser Wesley Willis (laut Info ein ehemaliger Stadtstreicher in Chicago, der seit Ende der 80er Jahre wegen chronischer Schizophrenie in Behandlung ist) in den letzten drei Jahren über 400 Songs geschrieben und zehn selbstgemachte CDs veröffentlicht hat. „Greatest Hits“ (Alternative Tentacles/EFA) präsentiert naiv-hintersinnige Kommentare zu Burger-Kultur, Rock-Konzerten („Urge Overkill“, „Eazy-E“) und den allgegenwärtigen TV-Programmen. Die Songs, teils mit Band, teils auf Computer-Keyboards eingespielt, klingen oft holprig, doch ein gewisser Charme ist ihnen nicht abzusprechen. Daniel Johnston trifft Kim Fowley beim therapeutischen Freigang. 3,0

Ihr letztjähriges Album „There’s Nothing Wrong With Lore“ (City Slang/EFA) klang so vielversprechend, daß BUILTTO SPILL sogleich einen langfristigen Major-Vertrag bekamen. Im Falle ihres Debüt-Albums „Ultimate Alternative Wavers“ von 1993 waren die Reaktionen allerdings weniger enthusiastisch – zu Unrecht, wie nun beim Hören der vorliegenden Wiederveröffentlichung (dieses Mal auf Fire/RTD) festzustellen ist. Denn schon damals zeigte sich, daß der Band-Chef Doug Martsch ein unglaubliches Gespür dafür besitzt, in seinen Songs den historischen Sprung vom Sixties-Pop zur progressiven Acid-Phase der frühen 70er Jahre abzubilden: solch eingängig-melodiöse Pop-Songs von epischem Format bringt derzeit niemand anders zustande. 3,5

Nicht mehr ganz neu, aber immer noch erwähnenswert:

PEACH COBBLER

und ihr Album „Georgia Peach“ (Ajax/ RTD). Man stelle sich das vor: Ein französisches Avantgarde-Pärchen kommt mit einem New Yorker Pendant zusammen, um Country-Blues im Stile Robert Johnsons mit Straßengeräuschen und Gesprächsfetzen (musique concrete?) zu kombinieren. Das Ganze wird in andächtiger Atmosphäre zelebriert, wie man es von den frühen Cowboy Junkies kennt. Für Blues-Puristen sicherlich eine Art Sakrileg, doch zum Rotwein an schummrigen Wintertagen genau das Richtige. 3,5

Für alle Freunde jener entspanntmeditativen Pop-Variante, die anscheinend nur von neuseeländischen Musikern beherrscht wird, sei erwähnt, daß DAVID KILCOUR (Ex-Clean) sein Tape-Archiv durchstöbert und aus allen Song-Skizzen all jene „magischen Momente“ ausgewählt hat, die man in dieser Form auch im allerbesten Studio nie wieder hingekriegt hätte. Dabei ist nicht nur der erstaunlich gute Sound von „First Steps & False Alarms“ (Ajax/RTD) bemerkenswert: Auf diesen Wohnzimmer-Demos klingt der Altmeister des Neuseeland-Pop seltsamerweise wesentlich klarer als auf seinen perfekt durchproduzierten Alben, und seine Songs gehen ohne die obligaten Weichzeichner eben doch sehr viel angenehmer und besser ins Ohr des geneigten Zuhörers. 3,5

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