Alternativen von Michael Ruff

TEAM DRESCH sind derzeit die große Ausnahme-Erscheinung im US-Underground. Das liegt weniger daran, daß sie bekennende Lesben sind, noch an ihrer politisch korrekten Haltung oder der konsequenten Weigerung, einen Deal mit der Industrie zu unterschreiben. Der wahre Grund: Sie sind eben einfach gut und haben vorgeschobene Attitüden gar nicht nötig. Das ist neu: In der Liga der Riot Grrrls gab es bislang viel weibliches Selbstbewußtsein, aber nur wenige gute Platten. Nun scheinen die Unzulänglichkeiten der Pionierinnen überwunden. „Personal Best“ (1995) überzeugte mit geradlinigen, hochenergetischen Songs, die neben den obligaten Themen überraschend viel Humor und Pop-Charme ausstrahlten. Das neue Album „Captain, My Captain“ (Naptime) schließt dort unmittelbar an, zeigt aber auch ihre Entwicklung hin zu ausgefeilteren Strukturen: Die Gitarren erhalten mehr Raum, so daß die jubilierenden Punk-Hymnen öfter von kleinen, ausgetüftelten Zwischenspielen ausgebremst werden. Team Dresch igeln sich nicht in ihrer Szene ein und nutzen ihre Außenseiterrolle auch nicht dazu, Leidensposen einzunehmen. Ihre Songs sind euphorisierend und von einer kraftvoll-melodiösen Weiblichkeit, die unbedingt gehört werden sollte. 4,5

Und sie sind bereits nicht mehr allein; in direkter Nachbarschaft (Portland, Oregon) gibt es nunmehr freundschaftliche Konkurrenz, und das Trio SLEATERKINNEY ist kaum schlechter: „Call The Doctor“ (Naptime) klingt auf der Gitarrenseite etwas dünner und rockiger, strahlt jedoch musikalisch die gleiche unbändige Lebenslust aus. Songs wie „I Wanna Be Your Joey Ramone“ kommen dabei so cool und selbstironisch daher, daß man dahinter schon fast eine Kim-Fowley-Produktion vermuten könnte. 4,0

Einen Kult besonderer Art bilden THINKING FELLERS UNION LOCAL 282: Seit 1988 haben sie acht Longplayer produziert, doch aufgetreten sind die Kalifornier in hiesigen Landen noch nie. Auch haben sie sämtliche Industrie-Angebote ausgeschlagen, um weiterhin ungestört an ihrem ureigenen Stil zu arbeiten. So ist ihr Fankreis klein, aber verschworen, und wird erfreut feststellen, daß „I Hope It Lands“ (Naptime/RTD) wieder eine neue Facette ihres Schaffens offenbart Diesmal steht Bassistin Anne Eickelberg als Sängerin im Vordergrund und setzt gleich mit den ersten beiden Songs diese verträumt-psychedelische, doch unterschwellig bedrohliche Atmosphäre, welche das gesamte Album hindurch anhält. Dennoch ihr bislang zugänglichstes Album: keine schrägen Klang-Collagen, eher die Musik zu „Alice In Wonderland“. 4,0

In ganz ähnliche Richtung, wenn auch nicht ganz so surrealistisch, gehen POLVO mit „Exploded Drawing“ (Touch 8C Go/ EFA). Die Band aus North Carolina, früher oft wegen Textlastigkeit und allzu vieler Tempiwechsel verschmäht, klingt hier poppig wie nie: Es gibt sanfte Töne, einige Rock-Riffe schleichen sich ein, und selbst der kontroverse Frontmann Ash Bowie gibt sich bei aller Eindringlichkeit ausgesprochen meüorf. 3,0

Beck ein Vertreter der Lo-Fi-Richtung? Wer das glaubt, sollte sich DOO RAG anhören. Das Duo ist die derzeit coolste Trash-Band auf dem Planeten. Das Schlagzeug? Pappkartons und Radkappen. Die Gitarre? Vom Sperrmüll. Der Gesang? Megaphon. „What We Do“ (Naptime/RTD) wurde zum Teil auf Kneipentour aufgenommen. Die wahren Wurzeln der Musik: Solo ist noch niemand gewesen. Keine Wertung.

Humor von absurdester Schönheit kann man bei ADOLF NOISE genießen, einem Nebenprojekt der Hamburg-Flensburger Gruppe Fischmob. Man ist schon fast eingenickt, da werden die super-ambienten TripHop-Klänge von ein paar geilen Sprach-Samples (Werner Hansch, Ede Zimmermann, Hermann Hesse) aufgerissen. „Wunden, s. Beine Offen“ (FFA) ist Dada von und für heute. Wenn die mal ernst machen, muß Helge Schneider aufpassen. 3,5

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