Alternativen von Michael Ruff

Die düster-schicksalhaften Erzählungen eines Nathaniel Hawthorne oder Cormac McCarthy in das viel knappere Song-Format zu übertragen, ist bislang kaum jemandem gelungen. Rennie Sparks, Bassistin der HANDSOME FAMILY, hat es geschafft: Ihre Texte sind knapp skizziert, machen nicht viele Warte, doch die Geschichten, die sie erzählen, sind im Detail wie auch in der umrahmenden Gefühlslage von beängstigender Genauigkeit. Diese wunderbaren short stories singt Rennie nicht etwa selbst – das kann ihr Gatte Brett Sparks viel besser, und wer sich an einer Mischung aus Lee Hazlewood und Leonard Cohen im Grunge-Outfit erfreuen kann, der kommt bei „Milk & Scissors“ (Scout) voll auf seine Kosten. Doch Vorsicht: Übermäßiger Genuß kann schwere Träume auslösen. 4,5

Nach dem Star-Aufgebot, das Mike Watt im letzten Jahr für sein Solo-Debüt „Ball-Hog Or Tugboat?“ zusammengetrommelt hatte, geht er diesmal ins andere Extrem: Unter dem Namen DOS hat er mit seiner Ex-Frau Kira (früher Black Flag) eine Platte eingespielt, auf der allein zwei Bässe und ein klein wenig Gesang zu hören sind. In diesem Arrangement sind auf „Justamente Tres“ (Kill Rock Stars/Import) auch neue Versionen alter Minutemenund fIREHOSE-Songs zu hören. Aus der Experimentierphase sind die beiden längst heraus, und so klingt ihr minimalistisches Konzept überraschend unterhaltsam. Da aber nicht ein lauter Ton zu verzeichnen ist, eignet sich die CD mehr für hippe Teestuben als für die Rock-Gemeinde. 3,5

Als musikalischer Weltenbummler hat der Neuseeländer BILL DIREEN in den letzten Jahren hauptsächlich aus dem (Gitarren-) Koffer gelebt. Seine gesammelten Europa-Impressionen, aufgenommen in verschiedenen Kleinstudios, sind jetzt auf CD erschienen. „Human Kindness“ (Corazoo/RTS) klingt intensiv, manchmal schmerzhaft, und zeigt einen einsamen Mann auf der Suche nach Menschlichkeit. Daß letztere nicht nur freundliche Gesichter hat, weiß er mit ruhiger Stimme zu erzählen. Doch die Begleitung springt abrupt von harmonischer Gemütlichkeit zu aberwitzigem Krach. 3,0

GRANFALOON BUS haben eine Platte gemacht, die in keine Schublade paßt. Mal produzieren die Kalifornier ungemütlich schrägen Junkie-Rock im Stile von Come, dann wieder schwelgen sie in countryesker Träumerei. Außerdem bevorzugen sie Aufhahmetechniken wie auf den Barbecue-Parties von Giant Sand. So unentschieden „Rocket Noon“ (Trocadero/RTD) stilistisch auch wirken mag: Als roter Faden fungiert jener unbekümmerte Pop-Appeal, der uns die Wartezeit auf das nächste Pavement-Album verkürzt. 4,0

Die Brit-Pop-Wellen kommen und gehen, doch Alan Jenkins steht jedesmal daneben. Ob mit The Deep Freeze Mice (’80-’87), den Chrysanthemums oder nun mit THE CREAMS: Seine Interpretation britischer Pop-Kultur war selbst den Engländern eine Spur zu verschroben und von einem Humor durchsetzt, der selbst Monty Python-Jüngern gelegentlich zu hoch war. „Pluto“ (Raffmond/RTD) ist ein weiteres Beispiel seines ungebrochenen Ideenreichtums und kommt natürlich ohne Verrücktheiten nicht aus. 3,5

Unbedingt erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Neuauflage des DEEP FREEZE MICE-Meisterwerks „I Love You Little BoBo…“, das kürzlich auf gleichem Label als Doppel-CD erschienen ist. 4,0

Noch ein Veteran aus glorreichen Independent-Tagen meldet sich zurück: JAD FAIR ist von Half Japanese und seinen Arbeiten mit Moe Tucker den Eingeweihten bekannt. Auf seinem neuen Album „Monsters, Lullabies…“ (Shake/RTD) läßt er sich von dem Trio Phono-Comb begleiten, dessen straffer, an Surfund Western-Themen orientierter Stil seiner nicht eben variationsreichen Stimme gut bekommt. Insgesamt ein cooles Beatnik-Album, das man direkt neben der letzten Pat-Thomas-CD einsortieren kann. 3,5

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