Alternativen von Michael Ruff
Seit die ehemalige Co-Leaderin Margaret Fiedler sich in Richtung Laika verabschiedet hat, bestehen MOONSHAKE nur mehr oder weniger aus David Callahan allein. Auf „Dirty & Devine“ (World Domination/EFA) schöpft er aus seinem reichen Sample-Fundus, doch so opulent und ausgefallen er seine digitale Big Band auch arrangiert – der Platte fehlt genau die Portion Speed, die jetzt bei Laika gelandet ist Sein eher lethargischer Gesangsstil tut ein übriges, um die aufkommenden TripHop-Gefühle mit wavigen Song-Gebilden über Kreuz zu legen. Hochinteressant wie The Pop Group auf Downers. Gibt’s sonst nirgendwo auf der Welt. 4,0
CHARLIE CURTIS ist ein Musiker, der zwischen New York und Hamburg pendelt Drüben ist er in der Avant-Szene um Elliott Sharp aktiv, hierzulande wirkt er im Symphonieorchester des NDR. „Volcanoes“ (Strangeways/Indigo), die erste CD seines nach ihm benannten Trios, fällt in keine diese Kategorien. Hier liefern Gitarre, Baß und Schlagzeug lange, unaufdringlich fließende Soundtracks, vor denen Curtis stimmungsvoll-urbane Prosa verliest. Zur Auflockerung gibt es einige Cover-Versionen im gleichen Stil, darunter Joni Mitchells „Both Sides Now“. Schön zum Zuhören, doch sollte man es sich dabei auf dem Sofa bequem machen. 4,0
Auch die RACHEL’S animieren nicht gerade zur Bewegung. „The Sea And The Bells“ (Quarterstick/EFA) präsentiert ihre bekannte Mischung aus elegischer Kammermusik und kontemplativen Kaffeehaus-Klängen in bislang reifster Form. Für die einen mag das wie aufgegossene Neo-Klassik klingen, anderen stellt die CD vielleicht ein willkommenes Refugium vor dem Krach und Schrecken der Außenwelt dar. Neutrale Hörer genießen das Werk an einem verregneten Herbstsonntag gemütlich im Bett. 3,0
KAIA kennt man unter dem Beinamen Kangaroo als Mitglied des großartigen Frauen-Quartetts Team Dresch, wo sie für die introvertierten Töne verantwortlich ist. Warum ihr Solo-Album mit dem ironischen Untertitel „Finally A Dyke Album For The Whole Family“ (Naptime/EFA) versehen wurde, wird schnell klar: Man darf leicht romantischen, doch stets lebhaften Songs zur Gitarre lauschen, die stilistisch an eine Lo-Fi-Kreuzung aus Joni Mitchell und Sonya Hunter denken lassen, wobei der Unterschied am ehesten darin liegt, daß eben keine Männer vorkommen. Ob ihre Stimme in diesem oder im krachigeren Band-Rahmen besser zur Geltung kommt, ist reine Geschmacksfrage. 4,0
Sollte tatsächlich ein Revival des altmodischen Beziehungsliedes anstehen, dürfte ALEXANDRA GILLES VIDELA hier gute Chancen haben. Die Sängerin der Flowerpornoes hat mit „Unter Wasser“(Peace 95/Semaphore) ein Album gemacht, wie man es seit ungefähr 20 Jahren nicht mehr gehört hat Ganz in der frühstückspsychologischen Art längst vergessener Hippie-Songwriter arbeitet sie Stück für Stück die Dinge auf, die zwischen „Ich“ und „Du“ so passieren können. Daß ihre teils naiven, teils nachdenklichen Resümees gelegentlich ins Peinliche abgleiten, ist dabei ebenso entschuldbar wie die elektrische Feedback-Gitarre, die gelegentlich im Hintergrund herumwütet. Diese ist aber keineswegs als Modernismus gemeint – Celli sind einfach zu teuer und hätten irgendwie auch nicht gepaßt. 3,0
Nach soviel Ernsthaftigkeit läßt man sich gern daran erinnern, daß die deutsche Sprache auch für spitze Zungen geeignet ist Das norddeutsche Duo GUNPOWDER ELECTRIC hat auf dem Album „Festplatte“ (Plattenmeister/EFA) eine Reihe von Miniaturen versammelt, deren Witz auf den bizarren Bereichen der Wirklichkeit basiert. Dem Titel zum Trotz handelt es sich übrigens nicht um Computer-Musik, sondern um analog-gitarresken Wohnkeller-Country voller Dada-Spinnereien und absurden Protestsongs, deren Wahrheitsgehalt allerdings niemals in Frage steht. 4,0