ALTERNATIVEN :: von Michael Ruff
Was seinen musikalischen Output angeht, so ist Steve Albini absoluter Perfektionist. Zuletzt gefiel ihm das Artwork nicht, so daß man zwei weitere Monate auf die neue Scheibe seines Trios SHELLAC warten mußte. Und nun, da „Terraform „(Touch & Go-/EFA) endlich vorliegt, dauert es weitere drei Minuten, bis der Meister die ersten Töne von sich gibt. Der zwölfminütige Opener besteht aus einem durchgängigen, kaum variierten Bass-Drums-Riff, auf dem Albini als Sänger und Gitarrist spärliche, offenbar frei improvisierte Akzente setzt. Womöglich ein Wink in Richtung Chicago-Sound, doch keine Sorge: Obwohl die Rhythmusgruppe immer noch dominiert (und Albini nur auf etwa der Hälfte der Gesamtspielzeit hörbar präsent ist), institutionalisiert ihn der Rest des Albums als den biestigen Nachlaßverwalter der Hardcore-Bewegung, von dem man schon immer wußte, daß er niemals eine Melodie im Munde tragen würde. Etwas mehr Gitarre hätte er trotzdem spielen können. 3,5
Vom schroffen Sound zu wattierten Tönen: Die Palette, die JUNE OF ’44 auf „Four Great Points“( Quarterstick/EFA) anbieten, reicht von spirituell anmutenden Gitarren-Seancen über neuartige Dub-Experimente bis zu gesprochenem Text vor Schreibmaschinengeräusch. Songstrukturen werden mal eingehalten, mal vorsichtig zerpflückt, und dennoch entsteht ein kohärentes Gesamtbild: Sonic Youth für Softies. Für die Band ein großer Schritt nach vorn. 4,0
Perkussionist bei June Of ’44 ist Doug Scharin, welcher außerdem bei der sehr guten Akustik-Band Rex spielt und mit OUT OF WORSHIP nun sein nächstes Projekt ins Rennen wirft. Auf dem gleichnamigen Debüt sind sechs Instrumentalstükke zwischen knapp 3 und knapp 18 Minuten zu hören, eingespielt unter Mithilfe des Gitarristen Joe Goldring sowie einem Koffer Studiotechnik. Als Inspiration dürften (natürlich) Tortoise, (na klar) alte Krautrock-Platten und (sowieso) ein paar Ethno- und Easy-Listening-Elemente gedient haben. Daß sich mit dieser Mischung niemand mehr sonderlich profilieren kann, soll nicht darüber hinwegtäuschen, wie spannend hier über weite Strecken musiziert wird. Nicht so gut wie Isotope 217, aber besser als Directions In Music (noch eine Band, bei der Sharin trommelt). 3,5
Wenn drei Japanerinnen mit einem Album namens : „New Rock“ (Grand Royal/RTD) herauskommen, steigt die Aufmerksamkeit wie auf Knopfdruck. Gleich mit dem Titelsong stiften BUFFALO DAUGHTER Verwirrung: Ein Marc-Bolan-Riff spielt vor, ein deutlich von Can entliehener Beat setzt ein, dann führt ein dünnes Engelsstimmchen den Hörer in höhere Sphären. Und auch wenn danach ein Elektro-Dance folgt, hat man nicht das Gefühl, moderner Musik ausgesetzt zu sein: Diese Sorte Techno erinnert eher an die ersten Gehversuche vor 20 Jahren. Dann kommt mit „Socks, Drugs & Rock & Roll“ die lange überfallige Kreuzung von Lydia Lunch mit Lorette Velvette und gegen Ende noch Can pur. Charmant ist gar kein Ausdruck. 4,0
Für alle, die Altmodisches in der puren Form bevorzugen, hat Nick Saloman alias THE BEVIS FROND eine Doppel-CD parat Jeder Ton auf „North Circular“ (Woronzow/ EFA) klingt wahrlich gut abgehangen und von jeder Menge Altersweisheit erfüllt. Die psychedelischen Exkursionen seiner Anfangstage bleiben weitgehend außen vor, dafür kommt das zwölfminütige „The Pips“ inmitten der folkigen Atmosphäre wie ein vertonter Monty-Python-Sketch daher. Daß Saloman ein begabter Songschreiber ist, haben nicht zuletzt Barbara Manning oder Mary Lou Lord mit ihren Versionen bewiesen. So sind auch bei diesem Opus magnum Höhepunkte dabei, nur leidet der Genuß unter der diesmal für Salomans Verhältnisse außerordentlich schläfrigen Begleitband, welche über die gesamten 130 Minuten exakt Tempo 30 einhält. Dafür mußte das musikalische Material natürlich auf etwas anstrengende zwei CDs übertragen werden. 3,0