Alternativen von Michael Ruff
Wenn jemand wie KIM SALMON sein neues Werk „Ya Gotta Let Me Do My Thing“(Citadel/New Music) nennt, sind Widerworte nicht angebracht. Zumal er sich mit seinem Ding vor keinem Jon Spencer dieser Welt zu fürchten braucht, denn immerhin tut er dieses Ding, nämlich puren, oft ins Bizarre überzeichneten Rock mit spröden Giam- und Funk-Einläufen, schon seit vielen, vielen Jahren. Mit seinem Trio The Surrealists hat er diese Brocken daheim im australischen Keller aufgenommen, um dann gen Memphis zu Jetten, wo der legendäre Jim Dickinson es kaum erwarten konnte, seine feinfühligen Hände an die Tapes zu legen: ein Treffen zweier Geister, die einen Scherbenhaufen zusammenkehren und in liebevoller Kleinarbeit nahezu so zusammenleimen, wie es irgendwann mal gemeint gewesen ist. 3,0
Während Salmon immer sein Ding gemacht hat, waren DIED PRETTY (ebenfalls Australier und ebenso lange dabei) zuletzt mit Zweitliga-Mainstream verdient in der Versenkung verschwunden. Nun, wo es um nichts mehr geht, legen sie aus heiterem Himmel ein Album vor, das den individuellen Sound ihrer Frühphase aufs angenehmste in die Gegenwart versetzt. In zurückhaltenden Arrangements werden auf „Using My Gillss As A Roadmap“ (Citadel/New Music) gekonnt Pop-Melodien mit hypnotischrepetitiven Tracks und erhabenem Loser-Padios gemischt. Ron Penos Gesang klang nie besser, und ganz zum Schluß gibt es mit „Drive“ noch einen schrägen kleinen Hit. 4,0
Manch ein Leser dürfte Caroleen Beatty noch als Sängerin der (aufgelösten) Bedlam Rovers im Ohr haben. Da sie aber zu deren drei Alben kaum eigenes Material beisteuerte, wundert es nicht, daß ihre neue Band WAYCROSS in eine ganz andere Richtung geht. Auf der gleichnamigen Debüt-CD (Normal/Indigo) ist kein „politisch korrekter Frisco-Folk-Rock“ zu hören. Dafür gedrückter Beat und eine Mauer elektrischer Gitarren, ineinander verwunden wie die Flammen der Apokalypse. An frühere Tage erinnern lediglich spärliche Country & Western-Anklänge, aber auch diese sind nur Medium für die düstere Lyrik, die ihrer Stimme so hörbar adäquat wohlzutun scheint. 3,5
Wie dem RS-Jahresrückblick zu entnehmen, haben es junge US-Stadion-Rocker derzeit schwer, in Europa Fuß zu fassen. Was soll da erst eine veritable Post-Hardcore-Band wie UNWOUND sagen, die nicht erst seit dem letzten Vormittag auf Ochsentour ist Auf „Challenge For A Cirilized Society“ (Matador/RTD) ist alles vorhanden: perfektes Zusammenspiel, engagierte Songs sowie der Wille zum Experiment. Besonders letzterer, der sich erst gegen Ende der CD voll ausleben darf, sollte ihnen eigentlich auch hier Gehör verschaffen können. Aber um soweit zu kommen, muß man Fugazi heißen. 3,0
Im Gegensatz dazu haben MODEST MOUSE einen leichten Stand. Auch sie stellen Songwriting und instrumentale Grooves vorsichtig nebeneinander, doch läßt das Trio in seiner jugendlichen Unbefangenheit nie das Gefühl aufkommen, daß hier mutwillig Grenzen niedergerissen werden müßten. „The Lonesome Crowded West“ (Matador/RTD) klingt wie ein versponnener Reisebericht, bei dem die Geschichte der Stationen eine geringere Rolle spielt als ihr vorbeifliegender Anblick. So klingen die Songs seltsam nebulös, die Gitarren milchig, und die Texte dank gedoppelter Gesangsspur geisterhaft wie eine Schwade Weihrauch im Niemandsland. Americana jenseits von Schall, Rauch, Country & Glitzerland – aber dennoch auf den Highways unterwegs. 4,0
Von der Autobahn in die Teestube: Als Alanjenkins vor 20 Jahren The Deep Freeze Mice formierte, hatte er seinen Stil bereits gefunden. Seine aktuelle Band nennt sich THE CREAMS und hat gerade eine Doppel-CD mit 42 nagelneuen Songs draußen, wobei alles, was damals angesetzt wurde, in voller Blüte zu hören ist: „The All Night Book Man“ (Jar!/Hausmusik) bringt Pop in kleinen Buchstaben, aber nie so handwerklich ernst wie die geistesverwandten XTC, sondern mit jeder Menge Wortwitz, Blödsinn und Auge für die wahren Absurditäten von Kunst und Geschäft. Wäre Frank Zappa ein teetrinkender Brite gewesen dies hätte möglicherweise sein Sound sein können. 3,5