Amy Millan – Honey From The Tombs, Lou Rhodes – Beloved One
Natürlich kann Amy Millan ein Soloalbum aufnehmen – Kanada liebt die Stars und Broken Social Scene, und auch anderswo stehen Leute wie Millan, Leslie Feist und Jason Collett hoch im Kurs. Millan kauft also die Zeit aus und leistet sich den Luxus, unterwegs entstandene Lieder zu einer Platte zusammenzustellen, warum auch nicht.
Die Musik, die zu solchen Anlässen entsteht, ist naturgemäß beiläufig, privat vielleicht, jedenfalls nicht übermäßig ambitioniert. Auch „Honey From The Tombs“ ist in diesem Sinne eine nebensächliche Platte: Millan singt kleine Lieder zur Akustischen, sanft und folkloristisch, auf eine karge Art romantisch. Das ist nicht schlecht! Aber eben nebensächlich. Und so ist man froh, dass Millan sich hier und da von einer Bluegrass-Kapelle namens Crazy Strings unterstützen lässt und schöne Roots-Musik ins Repertoire mischt. Zum Anhören: das Dylan-eske „Ruby II“, die Indie-Ballade „Baby I“ und ein Country-Schunkler namens „Hard Hearted (Ode To Thoreau)“.
Ganz anders liegen die Dinge mit dem Solodebüt von Lou Rhodes, bis vor kurzem noch eine Hälfte der Elektroträumer Lamb. „A wise man said to me. Don’t underrate simplicity’/ So I stripped my life away and try to live cach day by day/ And feel each moment new“, erklärt Rhodes gleich am Anfang, und also geht es hier ums ganz bewusste Anderssein. Auf „Beloved One“ lässt Rhodes alles Elektronische fahren und singt zehn streng akustische, mit Gitarren, kleinem Streicherensemble und viel geschmackvoller Perkussion arrangierte Lieder. Ungemein tief beseelte Musik ist das, in der Rhodes von der Liebe, dem Sehnen und einem insgesamt demütigen Leben erzähltund dabei klingt wie die große Schwester von Victoria Williams – beeindruckend, wie dingfest diese Lieder bei aller Sinnsuche bleiben.
Beeindruckend auch, wie Rhodes mit einer ganzen Schar von Mithelfern eine sehr eigenwillig folkloristische Klangkulisse schafft. Stickbundles, Woodblocks, Vibraphon, jede Menge Saiteninstrumente – Rhodes‘ Songwriter-Folk kann hierher und dorthin, scheint ohne Zeit und Ort auszukommen und bleibt dabei immer ideenreich und klar konturiert.
Herausragend sind: der Zeitlupen-Reel „No Re-Run“, der sich gegen Ende bedrohlich aufbaut und warnend ein mutiges Leben einfordert. Das fast entrückte „Beloved One“, das keltisch klingt und indisch und vieles sonst und am Ende in eine Art spirituelle Verzückung mündet. Schließlich das großherzige „Why“. ein toll emphatisches Lied, das auch Ben Harper hätte singen können. Soviel ausschnittsweise! Auf „Beloved One“ ist alles gelungen.