Anvil :: Juggernaut Of Justice

Tragikomödie mit Happy End: Die Alt-Metaller triumphieren.

Eins der ewigen Hollywood-Blockbuster-Formate ist die Tragikomödie um einen sympathischen Loser. Zwei davon sind noch besser. Dieses mit einem anderen angesagten Genre, der Rockumentary, zu hybridisieren, war die geniale inszenatorische Idee von „The Story Of Anvil“. Genial insofern, als der Film eine klassische Win-win-Situation schuf: Er partizipierte an der rührenden Authentizität und dem Irrwitz seiner Hauptdarsteller Lips (Gesang und Gitarre) und Robb Reiner (Schlagzeug), wurde so zu einem Publikumserfolg – der dann wiederum die tragisch erfolglose und irgendwie auch vorgestrige Band auf die großen Bühnen zurückbrachte.

Genial war aber vor allem die Umsetzung. Sascha Gervasi (Regie & Drehbuch) lagerte das Ende des Films in die Wirklichkeit aus. Ein Happy End wird als Möglichkeit zwar angekündigt, der Zuschauer dann aber in die Pflicht genommen, es wahr werden zu lassen. Und wir haben die Regeln der Loser-Komödie viel zu sehr verinnerlicht, als dass wir dieser Suggestion widerstehen könnten. Und so durfte, wer in den letzten beiden Jahren mal ein Konzert der Band besuchte, beobachten, wie alle Anwesenden mithalfen, damit auch wirklich alles so schön wurde, wie die Band es sich erträumt hatte.

Und jetzt also das neue Album. Schon der Titel „Juggernaut Of Justice“ schwört den Hörer wieder ein auf das große Projekt „Gerechtigkeit für Anvil“. In einem solchen Rezeptionskontext kann man das Album gar nicht besprechen, man muss es abfeiern. Wie seinerzeit bei „Metal On Metal“ eröffnet der wuchtig aufstampfende Titelsong den Reigen, und man wird weit zurückgehen müssen in der Backlist, um eine ähnliche Balance zwischen instrumentaler Muskelprotzerei und melodischer Überzeugungskraft zu finden. Vermutlich bis in die seligen Achtziger. Die sind natürlich der ewige Parameter. Und so haben sich Anvil aus Einzelteilen der kanonischen Trias, dem Debüt „Hard ‚N Heavy“, dem schon genannten mittleren Meisterwerk und „Forged In Fire“, einen riesigen Frankenstein zusammengepuzzelt. Der Sound hat Tiefe, Gewicht – und hörbar Geld gekostet.

Wer sich im Werk der Band etwas auskennt, trifft viele alte Bekannte wieder. Das böse schleppende „New Orleans Voodoo“ tritt in die tiefen Stapfen von „Forged In Fire“, „When All Hell Breaks Loose“ ist eine imposante Double-Bass-Speedhymne in der Tradition von „666“, „Fukeneh!“ hat das „Mothra“-Erkennungsriff inhaliert. Kurzum, Anvil sind immer noch Anvil, man hat tunlichst vermieden, den Loser-Bonus gleich wieder zu verspielen und allzu herausgeputzt aus der Wäsche zu gucken. Der Gewalttäter Reiner lässt weiterhin gern den Rhythmus fahren für wilde, nicht immer ganz kalkulierte Fills und Wirbel. Lips‘ Leads sind selten mehr als exaltiertes Gegniedel. Bei den vielen Tönen, die er zu spielen hat, kann er sich einfach nicht über jeden einzelnen Gedanken machen. Aber seine zuletzt ziemlich ausgezehrt wirkende Stimme ist so schön eingebettet ins Riffgewebe und von Chören und Overdubs flankiert, dass sie ihr dreckiges Pathos voll ausspielen kann.

„Juggernaut Of Justice“ ist eine Oldtimer-Karre, die man noch mal richtig heiß gemacht hat für das letzte Rennen. Das Album zeigt, was die-se Band leisten kann, wenn man sie ernst nimmt. Und ein Happy End sehen will. (Steamhammer/SPV) Frank Schäfer

Beste Songs: „Juggernaut Of Justice“, „Paranormal“

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