Arcade Fire
„Pink Elephant“ – Weltuntergang
Sony (VÖ: 9.5.)
Kein Drama mehr, nur noch eskapistische Electroclash-Songs.
Die Kunst vom Künstler trennen? Eine viel diskutierte Frage. Ist es okay, die Lieder eines Menschen zu mögen, der im Privaten seine Macht ausnutzt? Win Butler sah sich 2022 Vorwürfen missbräuchlichen Verhaltens ausgesetzt. Eine Anklage gab es nicht, Butler sprach von einvernehmlichen Handlungen. Die Sache ist ungeklärt. Jetzt der „Pink Elephant“. Der „rosa Elefant“ ist Butlers Fantasietier, das Geborgenheit bietet: Flucht in eine Welt, in der alles in Ordnung war. „I quit my job“, singt er in „Stuck In My Head“. In „Ride Or Die“: „I could be a moviestar/ You could be an actress.“
Ekstase im Club, Betrug, Misstrauen und Missbrauch
Die Zeit umkehren, Regression in die scheinbar sorgenlose Kindheit: Butlers prägendes Thema, wie beim Debüt, „Funeral“. Der beste Arcade-Fire-Song der letzten zehn Jahre war aber ein Cover, Frank Churchills „Baby Mine“ aus „Dumbo“. Wieder ein Elefant. Ein rührendes Wiegenlied, Rückkehr in den Schoß der Mutter. „Pink Elephant“ ist das dritte mittelmäßige Album in Folge. Und hat wieder nur sieben Songs – plus drei Instrumentalskizzen, die an ihren „Her“- Soundtrack erinnern, als Joaquin Phoenix sich in eine KI verliebt.
Der Orchester-Kawumms früherer Tage, eingespielt mit bis zu zwölf Mitgliedern, ist passé. Der pompöse Gestus, das cineastische Drama auch. Butler programmiert nun Electroclash-Sounddesign wie einst auf „Everything Now“. Das braucht kaum Absprachen. Es klingt wie ein trauriges Soloalbum, eingespielt im Arbeitszimmer. Ausgerechnet auf „Circle Of Trust“, ein im Kontext der Vorwürfe unangenehmer Titel, duettiert er mit Ehefrau Régine Chassagne. Singt von Ekstase im Club, Betrug, Misstrauen und Missbrauch. Oder deuten wir das falsch? Der ROLLING STONE hätte gern mit Butler darüber geredet. Interviews wären jedoch an die Vorgabe gebunden gewesen, genau darüber nicht zu sprechen.
Diese Review erschien im Rolling Stone Magazin 6/25.