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„Die Welt unser Traum“ (der hörverlag) heißt das Hesse-Projekt, mit dem die Macher des überaus erfolgreichen Rilke-Projekts erneut einen Autor vertonen, der zwar nicht wirklich modisch ist – aber doch modern. Zeitlos. Man mag „Unterm Rad“ oder „Demian“ als Mittelstufenfutter abtun (wer hat das nicht von pseudo-mondänen Deutsch-Lehrern gehört?). Doch Hesse bleibt in seinem Tasten nach Spiritualität, nach einem tieferen Sinn abseits herkömmlicher Konventionen aktuell. Auf jeden Fall aktueller als mancher Mann (v.a. der Heinrich überschattende jüngere Bruder). Schönherz & Fleer entschieden sich für die nicht leichte, aber auch nicht sehr originelle Umsetzung mit Streichern und Vollenweider plus ein paar Stars, mixten als Sprecher softe Stimmen von Willemsen, Naidoo und Louisan dazu, auch die omnipräsente Wildwurst Ben Becker – und fertig ist der Silberling. Hörenswert. Kein Vergleich zu der Stimme Hesses, der da so betörend und zugleich wild erschien (bei Hörfunk-Aufnahmen 1955). Doch der ist hier nicht dabei, sein Geist höchstens ansatzweise. Liest man dann noch, was den Mitwirkenden zu Hesse einfällt, fragt man sich, was die neulich gegründete „Udo Lindenberg Stiftung“ von all dem hält – sie sucht junge Musiker, die Hesse mit modernen Sounds interpretieren (www.udolindenberg-stiftung.de). 2,0

„1974“ (Megaeins Verlag) ist David Peace‘ Auftakt des Red Riding Quartetts, mit dem der Brite in das Vakuum stößt, das Ellroy hinterlassen hat, seit der sich statt um kleine Ganoven um die bigbadboys der US-Politik kümmert. Als Reporter der kleinen „Evening Post“ recherchiert Edward Dunford den Fall der verschwundenen Cläre Kemplay. Die Fährte, der er mehr oder minder im Alleingang folgt, führt in die Vergangenheit, zu Morden, die nie aufgeklärt wurden – oder werden sollten? Umso reservierter Kollegen und Polizei sich dazu äußern, desto beharrlicher begibt sich Dunford in einen Sumpf aus Korruption und Gewalt. Dazu laufen im Radio die Bay City Rollers, es wird gesoffen und geprügelt und im Laufe der Story 50 gefährlich, dass die Fährte zur Einbahnstraße wird. Es gibt für Dunford kein Zurück. Peace‘ Vorlage ist der Fall des Yorkshire Rippers, sein Antiheld ein Widerling, der hofft, am Ende seines Weges mit einer sensationellen Titelstory auf der Karriereleiter ein paar Sprossen zu überspringen. Mit sparsam eingesetzten Atmo-Klängen nähert sich Michael Hansonis (Frontmann bei Kölns King Candy) dem von Blut besudelten Ton auf nachvollziehbare weise: fast emotionslos. Eine bessere Umsetzung kann man kaum vorschlagen, trotzdem wird das Acht-CD-Set diesem Zuziehen der Schlinge auf diese Weise nicht gerecht. Denn was „1974“ wie Ellroys Thriller – auszeichnet, ist das zunehmende Tempo, dieses Atemraubende, das einen zwangsläufig bei der eigenen Lektüre so rasend macht, das einen immer schneller lesen lässt. 4,0

„Sieben Abschweifungen über Hunter S. Thompson“ (Edition Tiamat) von Klaus Bittermann zeigt zwei Jahre nach dem Tod des Hellraiser-Reporters noch einmal, wie sehr uns Thompson fehlt – und wie viel Bittermann von ihm hält. Schon vor Jahren bemühte er sich, „Hell’s Angels“ hierzulande zu veröffentlichen, doch den Agenten Thompsons war der Verleger zu klein. Inzwischen konnte Bittermann „Hey Rübe“ veröffentlichen, auch eine Biografie und immer wieder Nachworte und Artikel, in denen er seine Faszination für den Outlaw-Schriftsteller ausleuchtet. Den Romantiker, den sich selbst inszenierenden Rabauken, Nixon-Hasser, Verehrer Hemingways, Kriegsgegner, aber auch Teil des amerikanischen Traums. Für jede der Abschweifungen greift Bittermann in den Waffenschrank seiner rhetorischen Tricks, bemächtigt sich auch vielleicht nicht ganz legaler Kniffs – und hat nun eine CD, wie man sie sich wünscht: ein kompromissloses, verrücktes Unterfangen, 4,0.

„Ich mußte immer lachen“ (RandomHouse) von Dieter Hildebrandt mit Bernd Schroeder wurde live in der Lach- & Schießgesellschaft aufgenommen, ist aber nur streckenweise zum Lachen. Ausgangspunkt: Vor einiger Zeit erzählte der Politik-Kabarettist dem Drehbuchautor sein Leben, Schroeder schrieb mit, ein Buch kam raus, und nun las der Semi-Biograf dem fast 80-jährigen Hildebrandt Sequenzen aus seinen Lebenserinnerungen vor, rollte ihm quasi die Bälle hin, damit der vor Publikum noch mal aus dem Nähkästchen plaudert. Die erste Hälfte ist eher grau und trist, geprägt vom Trott in die Nazizeit hinein, den Trümmerjahren danach und Zufällen der Nachkriegswirren. doch richtig in Gang kommt der Abend erst auf der zweiten CD, vor allem bei „Zugabe: Herbert Wehner“. 3,0

„War, Journalism, and the Middle East“ (AK Press/Alternative Tentades) von dem langjährigen Nahost-Korrespondenten Robert Fisk ist keine leichte Kost, nicht zum Nebenbei-Hören auf dem Weg zur Schwiegermutter. Die CD samt Booklet ist ein Meisterwerk der Aufklärung, ein Paradebeispiel für Skepsis als Rückgrat jeder wachsamen Haltung – sie ist nur denen zu empfehlen, die sich bei harten Facts nicht wegdrehen müssen. Alles auf Englisch, für Fortgeschrittene auch in dieser Hinsicht. Fisk hat Osama Bin Laden interviewt, sitzt im Gegensatz zu vielen Nahost-Experten nicht in Newsrooms und Pressekonferenzen, sondern besucht Begräbnisse und hospitierte bei der Polizei im Irak. Auch wer vielleicht erst nach mehrmaligem Hören allem folgen kann, wird schnell viel, viel mehr erfahren als von den meisten Nachrichtensendern. 5,0

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