AVTT/PTTN
„AVVT/PTTN“
Ramseur/Ipecac/Thirty Tigers (VÖ: 14.11.))
Gewagt: Mike Patton trifft auf die Avett Brothers.
Die Wege des Mike Patton sind unergründlich. Seine Diskografie umfasst Funk-Metal und Italo-Pop, Noise-Collagen und Chansons, Hardcore-Punk und moderne Klassik. Als würde der 57-jährige Exzentriker, der mit seiner Band Faith No More in den Neunzigern tatsächlich mal eine Mainstream-Figur war („Epic“!), seine Unberechenbarkeit noch einmal unterstreichen wollen, hat er nun ein Album mit niemand anderen als den Avett Brothers gemacht, dieser äußerst harmonischen – und zuletzt arg braven – Americana-Combo.
Die Seele fehlt
Bringt Patton etwas Gefahr, etwas Leben, etwas Avantgarde zu den Avetts? Oder, umgekehrt, herzerwärmen die Avetts des Generals Experimente? Nein und nein. Musikalisch haben die Avetts die Oberhand: Akustikgitarren dominieren, Lagerfeuer-Akkorde, Country-Melodien, „aufrichtige“ Texte. Sicher, da findet sich auch mal eine hübsche Hook („Dark Night Of My Soul“). Bisweilen brechen irgendwie reizvolle Weirdo-Momente über diese Lieder herein, etwa Industrial-Drones, schamanisches Raunen und Kettenrasseln auf „The Ox Driver’s Song“. Aber meistens hat man das Gefühl, die Theatralik von Patton beißt sich mit der Bodenständigkeit der Avetts und wirklich gute Ideen hatte niemand. Es ist für beide Parteien ein Tiefpunkt ihrer Karriere.
Ein großes Problem des Albums ist, dass es einen glatten, klinischen, sterilen Sound besitzt, der sowohl der Americana alles Rustikale nimmt und zugleich die Exzentrizitäten entschärft. Zurück bleibt blutleere Musik, die nach ihrer Entstehung klingt: E-Mails, die man sich hin- und hergeschickt hat, Musik, die in der Software gebaut wurde – eine generische Drum Machine hier, eine zurechtgerückte Gesangsspur da. Die Seele fehlt.
Diese Review erscheint im Rolling Stone Magazin 12/2025.