Barkmarket – L. Ron und The Jesus Lizard – Shot :: Play It Again Sam / RTD und Capitol / EMI
Greg Sardy ist der Bestimmet Die ersten beiden Barkmarket-Alben spielte der Berserker aus Brooklyn solo ein. Das Resultat: kompromißloser Noise, in dem Songstrukturen nur rudimentär vorkommen. Über die letzten Jahre entwickelten sich Barkmarket jedoch zu einem richtigen Ensemble mit – nun ja – richtigen Songs. Was nicht heißt, daß sich das Unternehmen den Regularien des Musikbetriebs unterworfen hat. Es wurde nicht regelmäßig getourt, Alben erschienen keineswegs nach Jahresfrist.
Lieber arbeitet Sardy, der sich vor allem als Slayer-Produzent einen Namen gemacht hat, mit anderen Bands im Studio. Seine eigene bringt bitte nur Platten raus – da bleibt Sardy Bestimmer -, wenn er etwas zu sagen hat. Meint: Wenn ihm wieder genug Schaum vor dem Mund steht. Der Wahnsinn von Barkmarket folgt keiner Methode. Und schon gar nicht irgendeiner Marketingkampagne.
„L. Ron“, das erste Album seit drei Jahren, nimmt sich aus wie ein monströser Alptraum. Der Song „Undone“ etwa kann ab Szenario einer Geburt gelesen werden: „It was a hard push out/ Wiped clean and shouting/ Slapped right through the ceiling of an unfeeling world.“ Zeilen, bei denen man unwillkürlich an das Cover der letzten Barkmarket-Single, „Lardroom“, denken muß. Auf den Fotos sind OP-Liegen zu sehen – oder sind es Sezier-Tische?
Barkmarket spielen den Blues (ins Eröfihungsstück „Visible Cow“ hat sich sogar eine schlingernde Slide Guitar verirrt), aber sie spielen ihn skalpellscharf. Der kunstvoll verkeilte Groove der bestens eingespielten Band macht den Hörer frösteln. Trotzdem ist diese Musik nicht dunkel, sondern gleißend hell so wie ein Strahler, der einen Patienten nach der Operation aus der Betäubung brutal ins Hier und Jetzt zurückholt. Aus dem süßen Dämmern der Narkose in den Alptraum namens Leben.
Damit stehen Barkmarket Jesus Lizard ganz nahe. Oder muß es heißen: standen? Denn auf „Shot“, ihrem sechsten regulären Langspielwerk, klingen die Radikalen aus Chicago seltsam sanftmütig. Immerhin: David Yow gibt weiterhin den Chronisten des alltäglichen Wahns, seine Erzählungen sind schillernd wie Notizen aus Boulevard-Blättern. Für „Thumbscrews“ zum Beispiel muß sein verhaßter Vermieter einen qualvollen Tod sterben, und in „Too Bad About The Fire“, dem vielleicht besten Track der Platte, läuft ein Familienvater Amok, weil die Toilette mal wieder verstopft ist. David Yow weiß: Der Horror lauert immer hinter der Wohnungstür deines Nachbarn.
Die Songs auf „Shot“ sind extrem, aber der Sound wurde vollkommen nivelliert GGGarth Richardson, der zum Teil dafür verantwortlich ist, hätte genauso gut eine x-beliebige Crossover-Band produzieren können. Was ist passiert?
Zu einfach macht es sich, wer die neue Seichtheit als Tribut an den Major Capitol deutet, bei denen Jesus Lizard nach vielen Jahren Dienst für den Qualitäts-Indie Tbuch And Go für viel Geld unterschrieben haben. Denn auch das Industrie-Unternehmen Capitol weiß natürlich, daß es mit dem Noise-Veteranen Yow, der auf der Bühne gerne mal seinen Lurch auspackt, jemanden unter Vertrag genommen hat, der besser nicht auf feinen Benefiz-Veranstaltungen auftritt. Niemand gilt heute noch als unverkäuflich, weil er nicht mehr gesellschaftsfähig ist.
Vielleicht hat sich die Band einfach verausgabt. Sechs Alben in sechs Jahren (die vielen Projekte der Mitglieder vor und neben Jesus Lizard seien hier einmal außer Acht gelassen) können schon schlauchen. Deshalb gehen Barkmarket, die sich alle Zeit dieser Welt gönnen und sich keinem Erwartungsdruck beugen, als Sieger aus diesem Rennen hervor. Wahnsinn macht auf Dauer nämlich furchtbar müde.