Beachwood Sparks

Eine Orchidee in der Sahara wäre nicht wundersamer, ein Fliegenpilz auf englischem Rasen nicht radikaler als „Beachwood Sparks“ unter den herrschenden Bedingungen klangästhetischer Dehydration. Die älteren Leser werden sich dunkel an jene Tage erinnern, als die Boxen noch Mysterien zu bergen schienen, die sie nie profan preisgaben. Als Sounds noch vibrierten, verwoben waren, unentwirrbar und unendlich faszinierend. Als scheinbar kompakte Cluster einzelne Instrumente zum Flug freigaben, nur um sie wieder einzubinden ins dynamische, die Sinne verwirrende Wechselspiel. Kurzum: an die Zeit vor der großen Transparenz, die uns zwar in die Lage versetzte, die Herkunft eines jeden Tons zu orten, die der Musik aber ihre Mystik raubte, ihren Charakter schwächte, ihre Dichte relativierte und ihre Tragfähigkeit für Emotionen nachhaltig beeinträchtigte. Britney Spears mag sich in vielem von Steve Earle unterscheiden, wie Joe Cocker von den Jayhawks; klanglich indes kaum. Alles kompatibel, beliebig austauschbar. Asepsis statt Abenteuer.

Das Debüt-Album der Beachwood Sparks ist ein Trip für Herz und Hirn, ein schwelgerisches Fest für die Ganglien, wo Erinnerung und Emphase wohnen. Ein kaleidoskopisches Wunderwerk aus Westcoast-Stilen der späten Sixties. Die Inspirationsquellen sind nicht zu überhören, so laut glucksen und rauschen sie. Von Buffalo Springfield die ernsten, pastoralen Klänge. Von den Beau Brummeis, circa „Triangle“, der subtile Umgang mit Sounds und Beats. Von den Flying Burrito Brothers der Country-Soul und die Steel-Licks. Von Kaleidoscope der Mut zur Mixtur, von den Turtles die Freude am

Ba-Ba-Ba-Ba-Ba-Bubblegum, von Quicksilver der fabelhafte Fluss. Die Harmonies süß und bitter, ausgefeilt und doch stets leicht in Schräglage: The Grateful Dead, circa „Box Of Rain“. Nur wenige Tracks kommen mit weniger als fünf Paten aus. „Something I Don’t Recognize“ ließe sich weitestgehend auf die Byrds zurückführen, etwa zur Zeit von „The Notorious Byrd Brothers“. Das der Vinyl-Ausgabe vorbehaltene „Surfing Saints“ belehnt gleichermaßen die Beach Boys der „Sunflower“-Ära wie das psychedelisch-rumorende Orgeln von Pink Floyd anno „Ummagumma“. Anderswo stoßen Fairground-Swing und fragiler Folk-Pop aufeinander, herrlich exotisch und zugleich unheimlich vertraut. Es ist nicht zuletzt die unverkünstelte Atmosphäre in der die Aufnahmen entstanden, die ein solch übermächtiges Gefühl von Wärme und Empathie erzeugen. So wurden die Vocals völlig vorsintflutlich aufgenommen, indem sich die vier Bandmitglieder im Kreis um ein einziges Mikro herum gruppierten. Ähnlich wenig Federlesens wurde beim Abstimmen der Instrumente aufeinander gemacht. Weshalb die elektrischen und akustischen Sounds unvermeidlich ineinander fließen und Momente erhabener Schönheit kreieren, ohne dass man wüsste, wo die Lap Steel aufhört und die Orgel beginnt. Bevor die Fuzz-Gitarre in die Magengrube trifft, nachdem die Space-Rock-Rakete gezündet wurde. Farout? You bet.

Die Back-Cover-Collage sagt schon alles über diese stupende LP: Fotos, den Umrissen nach ausgeschnitten und quer übereinander geklebt. Regenbogen, VW-Bus, Schmetterlinge, Moptops und Sonnenbrillen. Später Flowerpower-Realismus? Früher Laurel-Canyon-Dadaismus? Egal, findet sich jedenfalls schon auf so einschlägigen Scheiben wie Gene Clarks genialischem „No Other“. Und wie dieses ist „Beachwood Sparks“ ein Gesamtkunstwerk. Kosmisch-amerikanisch. Mit Poster.

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