Belle & Sebastian – Push Barman To Open Old Wounds
Schon lange vor Erfindung der Wachswalze haben sich Pop Sänger ja als einsame Waldleute und Outlaws präsentiert. Was einem an der Glasgower Band Belle & Sebastian typisch vorkommt, ist dagegen mehr eine 90er Jahre-Sache: ein Creep zu sein, ein Weirdo. Eigentlich dazugehören zu wollen zur modernen Welt, aber die Anforderungen nicht erfüllen zu können. Was man einer gewissen Generation X angedichtet hat: Stolz und Selbstmitleid.
Und neben Nirvana waren Belle 8C Sebastian damals tatsächlich die einzigen, die dieses Dilemma richtig singen konnten, die sich an die besten Gewährsleute lehnten (Plattencover: Smiths, Musik: Felt, Nick Drake, Lee Hazlewood) und dazu Parabeln dichteten, die nur in Großstädten der 90er spielen konnten. Unter Beachtung kulturpessimistischer Alpträume, aktueller Kinoprogramme und Partnerschaftsmodelle, des Stands der medizinischen und sexuellen Forschung. Im Crossdressing-Song „Photo Jenny“ wundert sich einer, warum die Mädchen Händchen halten, und der andere sagt: „It’s 1995, the girls are just friends.“
Belle 8C Sebastian sind ja bekanntlich noch da, erfolgreicher denn je, und den Leuten macht es keinen Spaß mehr, sie weiter als wehleidige Korksohlen-Läufer zu beschimpfen. Die Nostalgie kommt allerdings von dieser wundervollen, absolut essentiellen Doppel-CD, die ab sofort was man von Compilations nie sagen soll – ihr bestes Album ist.
Alle 25 Tracks der sieben EPs, die zwischen 1997 und 2001 bei der Firma Jeepster erschienen, nichts davon kam auf reguläre Alben.
Nur „The State I Am In“ (zwei Hochzeiten, ein schwuler Bruder, ein bücherschreibender Pfarrer, Gottes Zögern beim Sündenvergeben) ist auch auf der ersten Platte, „Tigermilk“, hier aber in der Fassung der Vorgänger-Band Rhode Island. Lustig, daß Belle & Sebastian selbst in ihrer eher mittelmäßigen Album-Zeit um 2000 atemberaubende Stücke wie „Jonathan David“ (Freunde, die dieselbe Frau wollen) und „I’m Waking Up To Us“ (die Armseligkeit einer abgekühlten Liebe) für Singles aufsparten.
„I got my fingers dirty at the school of rock/ I got my fingers dirty, so I took a walk“, so startet „String Bean Jean“ von der ersten EP. Dieser lange Spaziergang von Belle & Sebastian fuhrt uns zwar an schottische Bushaltestellen, an Krankenbetten und ans Fenster, vor dem eine Katze namens Elvis vorbeiläuft – doch keiner dieser Orte ist sicher, denn in allen Scheiben spiegelt sich tagsüber das, was nachts in den Köpfen gedacht wird. Die Vor- und Nachteile der Einsamkeit, wieviel Individualismus die Gesellschaft verträgt, ob Kunst nicht auch lächerlich ist Die Ideen sind abstrakt, sogar politisch, die Lieder sind es nicht Konkreter als im „Modern Rock Song“ geht es kaum: „I count,three, four and then we Start to slow/ Because a song has got to stop somewhere.“ Leider.