Blues Traveler – Straight On Till Morning; Widespread Panic – Bombs And Butterflies :: A&M/Poiydor;Capricorn/PMS
Auch diese Revolution wurde nicht im Fernsehen übertragen. Ihre Triebfeder war nicht mediale Multiplikation, sondern Mundpropaganda. Das dauerte ein bißchen länger, paßte aber prima zum progressiven Paradigma einer nachhaltigen Entwicklung. Während Hip-Diskursler immer noch mühsam am Knochen „Alternative“ knabberten oder in Post-Cobain-Depression verfielen, hatte die Rock-Restauration der guten, alten Schule längst harte Fakten, Fakten, Fakten geschaffen.
Blues Traveler etwa, das Quartett aus New Jersey um den voluminösen Sänger und Harp-Wizzard John Popper, konnte von seinem letzten Studio-Album, „Four“, allein in den USA satte sechs Millionen Exemplare absetzen. Massenkompatibel musiziert die Band auch auf „Straight On Till Morning“: Blues-Rock, bis die Kühe heimkommen. Während Tracks wie „Carolina Blues“, „Business As Usual“ oder „Great Big World“ die Fähigkeit der Formation zur tosend-wogenden Iive-Jam-Session andeuten, sorgen „Felicia“ und „Canadian Rose“ auch für melodische Wiedererkennungswerte. Die große, melodramatische Geste mittenmang („Yours“) scheuen sie auch nicht. Wenngleich das einzig Erwähnenswerte bei dieser Musik letztlich doch die Mundharmonika von John Popper bleibt, der so geschwind bläst, haucht und flötet, wie Ronaldo dribbelt Irgendwie traurig nur, daß sich eine Band wie Blues Traveler immer noch bzw. schon wieder genötigt sieht, den Totschläger von der „ehrlichen“ Musik zu bemühen. Like 80’s nerer happened? Auch Widespread Panic aus Athens/Georgia setzen auf ihrem Album No. 5 weiterhin auf Stilmittel, die schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel haben. Das reaktivierte Capricorn-Label steht zwar nach dem Neustart in den 90er Jahren nicht mehr nur für strammen Southern-Boogie (siehe Syd Straw, siehe Cake). Doch das gern etwas weiter ausholende Rock-Sextett um Sänger/Gitarrist John Bell hätte auch damals schon unter dieser Adresse reüssieren können: eine Prise Funk hier, ein bißchen schwärmerische Melodieseligkeit da, dazu vornehmlich kryptische Texte um Radiokinder und Mutter Natur. Und das Instrumental JHappy“ im relaxten Country-Rock-Trab würde locker als Marshall Tucker Band-Archivfund durch- gehen.
Den mit Abstand besten Song des Albums bringen Widespread Panic aber dann doch nicht ganz allein zustande: „Aunt Avis“, ein gedämpfter Schrei nach Orientierung, kommt aus der Schatztruhe von Band-Buddy und Gast-Sänger Vic Chesnutt, der (als Brüte) ja bereits ein komplettes Album (Nine High A Pallet“) mit der Band um die Ecke aufgenommen hat. File under: Nachbarschaftshilfe, angenehme Sorte.
Keine Revolution, das alles, aber immer noch besser als das Fernsehen (jedenfalls meistens).