Caetano Veloso – Fina Estampa
Caetano Velosos neues Album ist großartig. Das vorweg, obwohl dieser Satz nicht aussagekräftiger ist als „Nachts ist es dunkel“: Denn selbstverständlich ist „Fina Estampa“ – Album Nummer 30 im Werk des brasilianischen Superstars – brillant, wie auch die Anfang 1994 erschienene Platte „Tropicalia 2“ (mit Gilberte Gil) oder „Estrangeiro“ (1989, produziert von Arto Lindsay und Peter Scherer) oder „Bicho“ (1977, die Pop-Platte) oder „Caetano Veloso“ (1969 mit „Tropicalia“, dem musikalischen Manifest der damaligen brasilianischen Pop-Bewegung). Oder, oder, oder. Und selbst die schwächeren Alben (doch, doch, die gibt es) des heute 52jährigen weisen immer noch jeweils mindestens ein halbes Dutzend großer Momente auf. Aber „Fina Estampa“ ist selbst im Veloso-Vergleich ein Meisterwerk.
Dabei war wahrscheinlich ein kommerzieller Gedanke der Geburtshelfer dieses Albums: Veloso singt diesmal nämlich spanisch, also kann der Rubel nun in ganz Südamerika rollen. Doch statt der naheliegenden Sammlung alter Hits in fremder Sprache nahm der Songwriter mittel- und südamerikanische Klassiker auf: Gassenhauer und Schlager wie „Rumba Azul“ (Cuba 1942), „Mario Bonita“ (Mexiko 1941) oder eben „Fina Estampa“ (Peru 1956) kennt man dort wie hierzulande „Goodbye Johnny“. Äußerst abwechslungsreich arrangiert (Solo-Gitarre, Streichquartett, klassische südamerikanische Tanzkapelle mit Bläsern und Rhythmusgruppe), unwahrscheinlich wohlklingend, und zusammengehalten von Velosos schmelzender Honigstimme, durchzieht das Album ein implizites Grundmotiv: die Endlosigkeit der Schönheit.
Den Erfolg in Südamerika kann sich jeder an fünf Fingern abzählen. Aber auch für uns Europäer ist ein erstaunliches Werk entstanden, eine Platte, von deren Existenz wir immer überzeugt waren, die es aber tatsächlich nie gab: die südamerikanische Platte an sich, die all jene Versprechen hält, die uns unzählige romantische Hollywood-Filme der 30er und 40er Jahre über diesen Kontinent zugeflüstert haben. Hier sind sie also, die schwülen Blicke in warmen Nächten, die feuchten Tavernen und ihre einschmeichelnde Musik, die Mangrovenwälder, die Papageien, die Wasserfälle mitten im Dschungel und die unzähligen Monde, deren silbern perlendes Licht romantische Momente erst jenseitig machten.
Sicherlich, es ist eine künstliche Musik. Aber eben von jener alten Künstlichkeit, als Filme noch schwarzweiß waren und Raum ließen für die Farben der Träume.