Daniel Kehlmann – Ruhm :: Die vermessene Welt

in Thomas Glavinics höchst unterhaltsamem Roman „Das bin doch ich“ wird der Protagonist namens Thomas Glavinic vorwurfsvoll von seiner Mutter gefragt, wann er endlich mal „so was“ schreibe. Gemeint war damit der Bestseller des befreundeten Kollegen Daniel Kehlmann, dessen „Die Vermessung der Welt“ sich allein in deutscher Sprache mehr als 1,4 Millionen Mal verkaufte. Hat Kehlmann nun wieder so was geschrieben? Nein, er hat nahezu alles anders gemacht, obgleich die für den Autor typische Mischung aus Humor und Tiefgang selbstverständlich auch in „Ruhm“, einem Roman in neun Geschichten, zum Tragen kommt. Allerdings versucht sich Kehlmann diesmal an einem formalen Experiment, indem er in sich abgeschlossene Erzählungen lose miteinander verknüpft, ganz so, wie es Robert Altman für seinen Film „Short Cuts“ mit Erzählungen Raymond Carvers meisterhaft durchexerzierte. Kein Wunder, dass bei einer derartigen Konstruktion, die der Roman gelegentlich zu stolz präsentiert, vor allem die sich stetig wandelnde Identität einzelner Charaktere im Mittelpunkt des Interesses steht. Denn: „Eine falsche Regung (…), und schon war das alte Dasein dahin“, wie es in der fünften Geschichte „Osten“ heißt. Zufälle, die direkt aus Paul Austers rotem Notizbuch stammen könnten, und winzige Veränderungen werfen das Roman-Personal aus der gewohnten Bahn, sodass beispielsweise ein berühmter Schauspieler zum (schlechten) Imitator seiner selbst wird, während ein anderer Mensch seinen angestammten Platz einnimmt, obwohl Kehlmanns verschachteltes Werk aufgrund der vielfach gespiegelten Schriftsteller-Figuren zuweilen allzu selbstreflexiv erscheint – die einzelnen Geschichten, die im Zusammenspiel allerdings nicht die Dramaturgie eines Romans entwickeln, überzeugen auf ganzer Linie. (18,90 Euro)

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