Die Goldenen Zitronen – Economy Class

Punk war für die Goldenen Zitronen über die zehn Jahre ihres Bestehens ein unverhandelbarer Standpunkt – von dem aus sich alle erdenklichen Stile verhandeln ließen. Garagentrash und HipHop, Beat-Pop und Agit-Rock. Die Hamburger Band war so gesehen immer eine sehr offene Angelegenheit. Mit „Economy Class“ holen sie nun zur Neudefinition des Begriffe Punk aus – und geben sich dabei radikal kokett.

In „‚Wer soll das entscheiden“ werden die Tasten akkordzersetzend angeschlagen, so daß sie wie auf den Fingergelenken gespielt klingen. Thelonious Monk stand hier Pate. „Das Binnenland“ hingegen erinnert an eine Salsa von McCoy Tyner, nur daß das Piano nicht perlt, sondern poltert Wie übrigens alles auf diesem Album. Es gibt keine Power-Riffe, keine Refrains, an denen sich der Hörer entlanghangeln kann, einige Stücke sind enervierende Noise-Collagen. Und aus der schnipseligen Artwork auf der Rückseite des der CD-Hülle lugt das Cover einer Ornette-Coleman-Platte hervor. Punk in der Gegenwart das heißt für die Goldenen Zitronen: in der Touristen-Klasse durch die Avantgarden der ‚Vergangenheit Ein ungelenker Tanz auf einem schmalen Grat Schorsch Kamerun, der bei den Zitronen das ist was bei anderen Bands Sänger genannt wird, nimmt hier unterschiedliche Rollen an. Rassisten, Spießer, Yuppies. Ein gefährliches Spiel ist das. Zum Beispiel wenn die, die kritisiert werden, aus dem eigenen Circuit stammen. In „0:30, gleiches Ambiente“ macht sich Kamerun, der Wirt und Widerstandskämpfer in Personalunion ist, genau über die Menschen lustig, die die Kundschaft seines Golden Pudel Clubs, einer Easy-Listening-Hütte am Hafen, ausmachen. Eben das ist kokett, gleichzeitig aber radikal. „Economy Class“ zeigt, daß Gesinnung und Persönlichkeitsspaltung manchmal nicht weit auseinanderliegen.

Gut, weil schamlos.

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