Diverse – … Next Stop Is Vietnam: The War On Record 1961-2008
Heute lacht man natürlich über die skurrilen Sicherheitsanweisungen, Warnungen und Vorkehrungen des Kalten Krieges: Pat Boone, Johnny Cash und Fred MacMurray sprachen Radio-Spots, es wurden unterirdische Verliese und Bunker vorgestellt, die schnellsten Wege zu Refugien beschrieben, Notfall-Hotlines annonciert. Das Goldene Zeitalter des Kalten Krieges dauerte etwa von 1947 bis 1964 – aus dieser Ära stammen fast alle Songs auf den vier CDs von „Atomic Platters“ (dazu kommt eine CD mit länglichen Vorträgen und eine DVD mit bizarren Lehrfilmen wie „What Is Communism?“, „Bombproof“ und „Occupying A Public Shelter“). Fröhlich vermischt werden hier die Angst vor der Bombe und vor den Kommunisten: Verwegene Bands wie Little Caesar And The Red Calendar Sextette singen „Atomic Love“, Hank Williams entbietet als Luke The Drifter „No, No, Joe“, Bo Diddley diddelt 1962 „Mr Krushchev“, die Goons singen 1957 den „Russian Love Song“, Lowell Blanchard And The Valley Trio sülzen 1950 „Jesus Hits Like An Atom Bomb“, Doris Day macht „Tic, Tic, Tic“. Die beginnende Raumfahrt-Ära wird mit Liedern wie „Satellite“ der nicht sehr berühmt gewordenen Teresa Brewer (1958) und „Sputnik Baby“ des obskuren Roosevelt Sykes (1957) halb gefeiert, halb gefürchtet. Es herrscht also kein Mangel an Geschmacklosigkeiten, Albernheiten und Absurditäten, man spielt Rockabilly, Rock’n’Roll, Bluegrass, Rhythm & Blues und Schnulzen, dass es eine Art hat. Das bombenschwere Begleitbuch dokumentiert jeden Song.
Auf 13 CDs dokumentiert „… Next Stop Is Vietnam: The War On Record 1961-2008“ das amerikanische Trauma des Krieges. Mehr als 300 Songs sind in verschiedenen Rubriken („Mister, Where Is Vietnam?“, „Hell, No – We Won’t Go“, „It’s America, Love It Or Leave It“) zusammengefasst – und wenn auch die wenigsten ambivalent oder bellizistisch zu nennen sind, so handelt es sich doch nicht nur um Protestlieder. Pat Boone schnulzte „Wish You Were Here, Buddy“, Derik Roberts verkündete „There Won’t Be Any Snow (Christmas In The Jungle)“, und Arthur Weston berichtete „Uncle Sam Called Me (I Got To Go)“. Unter den Kriegsgegnern waren natürlich Donovan, John Lennon und Yoko Ono, Paul Revere, John Fogerty, Phil Ochs, Tom Paxton, Chip Taylor und Buffy Saint-Marie. Spätere Stücke wie Paul Hardcastles „19“ wurden ebenso integriert wie historische und musikologische Aufsätze sowie ein Vorwort von Country Joe McDonald im erschöpfenden 300-Seiten-Buch. (Bear Family)