Diverse – The Golden Age Of American Rock’n’Roll, Vol. 11 :: Eine weitere Ausgabe der Serie mit Schätzen aus dem Füllhorn

Auf die Idee, dass man eine billige Kneipe am La Cienega Boulevard, der Fressmeile von Los Angeles, oder irgendeiner anderen Stadt zum Thema eines Popsongs machen könnte, das auch noch zu dem Zweck, damit einen Hit zu landen, kommt heute kaum noch irgendwer. Aber Jerry Leiber und Mike Stoller waren schon in ihren ganz jungen Jahren nicht irgendwer. Mit dem für die Robins komponierten „Smokey Joes Cafe“ brachte es dies Vokal-Ensemble zwar nur bis auf Platz 79 der Pop-Hitparade, Aber Top 13 in den Rhythm & Blues-Hitparade war wirklich nicht schlecht. Danach konnte Jerry Wexler das Komponisten-Team dazu überreden, für Atlantic als Produzenten zu arbeiten. Mit den quasi von den Robins abgespaltenen Coasters als „Klienten“ sollten sie noch oft in den Hitparaden landen. Ähnlich erfolgreich war einige Jahre lang der Kollege Clyde McPhatter, nachdem er sich von den Drifters – anfangs „seine“ Band! – getrennt hatte, um eine Solo-Karriere zu wagen. Eine seiner großen Aufnahmen wurde das von Danny Small geschriebene „Without Love (There Is Nothing)“, später auch von Elvis Presley bis Tracy Nelson in den Anfängen von Mother Earth aufgenommen. Mit Platz 19 der Pop-, Platz 6 der R6?B-Hitparade, war das zwar bei weitem nicht so erfolgreich wie wenig später „A Lover’s Question“, aber mindestens in derselben Klasse wie der von Brook Benton geschriebene Pop-Hit. Weil

sich ihm danach nur noch selten Songlieferanten mit vergleichbar hochkarätigen Vorlagen von solchem Potenzial andienten, konnte McPhatter diesen Erfolg in späteren Jahren nur noch ein einziges Mal wiederholen. Die Liner Notes hier zitieren einen Ahmet Ertegun, der sich später im „New Yorker“ etwas abfällig über seinen vielgepriesenen Künstler äußerte. Im Nachhinein kämen ihm viele von dessen Aufnahmen wegen der unpassenden Begleiter reichlich antiquiert vor. Auch irgendwie komisch wie „a Buick Roadmaster with a lot of chrome“.

Wer angenommen haben sollte, dasss diese beste aller „Oldies But Goodies“-Serien nach zehn Folgen (à 30 Aufnahmen!) sowie diversen „Bubbling Under“ und anderen Retrospektiven der Zeit ihr gutes Ende fand, darf sich bei der nach ein paar Jahren Pause vorgelegten Folge 11 auf angenehme Überraschungen gefasst machen. Für das Goldene Zeitalter des amerikanischen Rock’n’Roll stehen da nach wie vor nicht die Galionsfiguren aus der Liga von Elvis, Chuck Berry, Ray Charles oder Fats Domino, sondern vornehmlich die durch Indie-Labels berühmt gewordenen Interpreten, die nie oder jedenfalls selten die Promotion-Maschinerie der führenden Plattenkonzerne hinter sich wussten. Ein Duo wie Shirley & Lee, das mit der Cover-Version von Louis Jordans „Let The Good Times Roll“ mehr als nur einen Achtungserfolg hatte. Oder aber doch völlig erfolglos blieben wie Jivin‘ Gene & The Jokers mit „Breaking Up Is Hard To Do“, obwohl ihre Firma Mercury zu den führenden des Landes gehörte. Zum Hit machte das erst zwei Jahre später bekanntlich Neil Sedaka.

Dass „Lovc Is Strange“ von Mickey & Sylvia mal ein Pop-Evergreen werden würde, war keinesfalls eine ausgemachte Sache. Vor Gericht stritt man sich bald wie die Kesselflicker etwa darum, ob Bo Diddley als Co-Autor gelten und von den Song-Tantiemen profitieren dürfe. Das waren, soviel mal zur Erinnerung, öfter richtige Wildwest-Zeiten, in denen sich die populäre Musik in dem hier dokumentierten Jahrzehnt befand. Obwohl eine der bei weitem erfolgreichsten Singles in dieser Folge 11 der Serie, nämlich Top 3 der US-Hitparade, dürften Sammy Turners „Lavender Blue“ schätzungsweise vorwiegend Spezialisten kennen. Auch das übrigens eine Cover-Version, nämlich desselben Songs, den Burl Ives 1948 für den Walt Disney-Film „So Dear To My Heart“ aufgenommen hatte. (Nach der Lektüre der Liner Notes darf man sich auch diesmal wieder mal stolz als Experten betrachten – nicht ohne zu fragen, woher denn die Herausgeber ihr schier unerschöpfliches enzyklopädisches Wissen haben!) Für die schmale Grenze zwischen Hit und Flop ist ein anderer Song hier exemplarisch, nämlich „Ruby Baby“, die Leiber/Stoller-Komposition, die nicht nur in der 1956er Aufnahme der Drifters, sondern auch in den folgenden Jahren kaum jemand kaufen wollte.

Dass Dion DiMucci ausgerechnet diesen Song als prima Einstand für seine erste Single beim neuen Label Columbia betrachtete, muss mit höherer Inspiration zu tun gehabt haben. Ansonsten meist für Klienten wie Andy Williams und Barbra Streisand zuständig, war das überhaupt keine Arbeit, wie man sie sonst von Produzent Bob Mersey gewohnt war. Mit den Del Satins als Begleitern machte Dion das zu einem hinreißenden Folkpop-Klassiker. Der definitiven Aufnahme, weshalb die hier auch endlich auftaucht!

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