Diverse – The In-Kraut

Sie sehen super aus auf der Tanzfläche, Now-Boys und Ye-Ye-Girls, in würg-engen Pullovern und Kleidern mit konzentrischen Kreismustern, mit Frisuren wie schwarzweiße Fernsehansager. Und wenn später einer sagt: „Vor 15 Jahren gab es 80 Mods in dieser Stadt, jetzt gibt es nur noch acht!“, dann sagen wir: Immerhin! Obwohl wir die Namen der acht Mods nicht wissen.

Mit dem Easy-Listening-Revival der 90er Jahre, an das in letzter Zeit wieder oft erinnert wird, hat ein Sampler wie „The In-Kraut – Hip Shaking Grooves Made In Germany ig66 -1974“ nämlich gar nichts zu tun. Eine solche Platte dokumentiert das intensive, von Zeit-Mode völlig unberührte Interesse an alter Tanzmusik, die sich zwischen weißem Beat und schwarzem Soul windet. Daß sowas auch in Deutschland gemacht wurde, von Kapellmeistern, die Drogen nur aus der „Bild“-Zeitung kannten, ist so bekannt wie der überstrapazierte Afri-Cola-Spot von Charles Wilp – die Koketterie im Plattentitel dürfte der Tatsache geschuldet sein, daß diese Zusammenstellung vor allem für den Export gedacht sein dürfte.

Und eben für Sammler, die für Bill Ramseys Psych-Beat-LP „Got A New Direction“ viel zahlen würden, wenn es von der Platte nicht weniger Mint-Exemplare als potentielle DJs gäbe. Der sogenannte Normal-Hörer wird den Großteil dieser 20 Stücke dagegen als Standardware aus den Tanzorchester- und Beat-Söldner-Manufakturen der besagten Zeit wahrnehmen. Der Bedarf an Tanz- und Filmmusik war damals ja riesig, und die Anbiederung ans junge Publikum konnte so kurz nach Erfindung des Teenagers nicht kaltblütig genug sein. Sogar James Last hat ja damals eine explizite Kiffer-Platte gemacht.

Hier hören wir das „Marihuana Mantra“ von Kuno & The Marihuana Brass (Achim Reichel steckte dahinter) mit lustigen Dialog-Fetzen („Es gibt noch Türkentorte!“), die LSD-Geige von Helmut Zacharias, ein Stones-Cover von „Raumpatrouille“-Peter Thomas, das France-Gall-Lied „Hippie Hippie“ und einen komplett bizarren Schlager von Dietmar Schönherr und Vivi Bach, in dem über Terroristen gewitzelt wird. Reine Novelty, archivarisch interessant.

Auf jeden Insider-Gag kommt freilich etwas echt Genießbares, zum Beispiel der beste deutsche Schlager überhaupt „A Glock’n, die 24 Stunden laut“‚ von Marianne Mendt, und Hilde Knef auf Englisch. Machen Sie Ihrem Nerd eine Freude damit.

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