Donald Fagen – Morph The Cat

Wir fassen zusammen: Donald Fagen hat mit seinem Partner Walter Becker in den 70er Jahren Platten aufgenommen, die den beiden – die ihre Band Steely Dan nannten, übrigens nach einem Dildo in einem Buch von William S. Butroughs! – den Ruf von Perfektionisten und Wahnsinnigen einbrachten. 1980 verabschiedeten sie sich mit „Gaucho“, einem Album über Los Angeles, Kokain, Kokain und Kokain. Fagen sammelte Autogramme von alten Jazz-Musikern, die in New Yorker Clubs auftraten. 1982 brachte er „The Njghtfly“ heraus, 1993 „Kamakjriad“. Walter Becker konsumierte Heroin und produzierte hin und wieder eine obskure Platte, 1994 nahm er auch eigene Songs auf. 1999 und 2003 erschienen zwei weitere Alben von Steely Dan. Fagen hatte seinem Freund über all die Jahre Postkarten geschrieben.

Was schon beweist, daß Fagen nicht nur ein Klangfanatiker ist, sondern auch ein echter Romantiker. Die ätherische Kühle von „Gaucho“, der glatte R&B von „The Nightfly“, die futuristischen Sound-Designs der Science-fiction-Fabel „Kamakiriad“ und die wehmütigen, hinter Ironie verborgenen Meditationen von „Everything Must Go“ täuschen so wenig wie Fagens legendäre Wortwut darüber hinweg, daß er immer die Musik seiner Jugend spielt – wo nicht den Jazz des unerreichten Duke Ellington, den Fagen noch als älterer Herr stets erwähnt.

Und jetzt, auf „Morph The Cat“, ist alles wieder da: die Eleganz, die Kühle und das scheinbar Klinische des Klanges, die Ironie, die Romantik, das Nachtleben, die Weiber, New York und all der Jazz. Und Fagens dünne Stimme, zunächst eine Zumutung wie der gesamte Sound. Dann kommt zum Baß und zum Schlagwerk das Fender Rhodes, an dem man jeden Fagen-Song sofort erkennt, es folgen die Bläser, die Orgel, die Harmoniesängerinnen. Obwohl nichts weiter von Rockmusik entfernt ist als Fagens hyperexakte und doch verspielte Konstruktionen, gibt es nur noch bei ihm lange, verzwickte Gitarrensoli, neuerdings auch Mundharmonika-Exkurse. Eben wie in den 70er Jahren. Und wenn die „H Gang“ besungen und der „Brite Nitegown“ verewigt wird, Fagen die „Great Pagoda Of Funn“ feiert und drei weitere Frauen seiner skurrilen Galerie hinzufügt – „Security Joan“, „The Night Belongs To Mona“, „Mary Shut The Garden Door“ -, scheue ich nicht die Behauptung, daß dies endlich Donald Fagens Haupt- und Meisterwerk ist und Musik, die man für immer liebt, auch wenn man gar keinen Jazz mag.

Und das liegt daran, daß Fagen – dem das Lied-Schema stets zu eng war – keine Grenzen mehr kennt, mit einem Song beginnt, um ihn dann in unfaßlichen Improvisationen und faszinierenden, strahlenden Fade-outs zu entwickeln, so daß etwas Rätselhaftes, etwas Schönes und Bewunderungswürdiges entsteht – ja, eine „great pagoda of funn“, mit unendlichen Soli. Harmoniegesängen, der entspannten Wiederholung der Worte „it’s what I do“ oder „brite nightgown“, wie Beschwörungen, wie in einem Ritual.

Und ein Ritual ist es natürlich: „Ich arbeite nach den Regeln der Siebziger, egal, welche Zeit gerade ist“, sagt Fagen. Welche geheimen Schätze dieses Album – das laut Fagen auch „Apokalypse Wow“ heißen könnte – noch birgt, werden wir erst langsam entdecken. Fürs erste träumen wir in Fagens dunkler Nacht des Soul, in der es immer Viertel vor Nichts ist.

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