DRUCKSACHEN

Win famoses Buch zur rechten Zeit: Just als Country einmal wieder zum Schmähwort wird, weil alle Welt den Plastikschrott aus Nashville dafür hält, erinnert uns Nicholas Dawidoff mit „IN THE COUNTRY OF COUNTRY“ (Pantheon, ca. 55 Mark) an das Echte, Wahre und Schöne in der Soul Music des weißen Mannes. Dem marktbeherrschenden „slick country“ der sogenannten hat acts (ersatzweise auch „new country“ oder, perverserweise, „real country“) setzt Dawidoff einen Country-Begriff entgegen, der Land, Leute und Lebensumstände zu konstitutiven Momenten der Musik erklärt. „People And Places In American Music“ ist denn auch der Untertitel einer literarisch durchaus sehr ansprechenden Reise durch Zeit und Landschaften. Von Jimmie Rodgers bis Jimmie Dale Gilmore, von Bill Monroe bis Emmylou Harris begegnen wir Künstlern, deren Umgang mit Musik nicht selten leidenschaftlich ist und nie weniger ab respektvoll. „Hard country“ nannte George Jones einmal das Terrain, auf dem die Aufrechten ackern. Das meint keinen Stil und keine Etikette, nur eine Attitüde, die Dawidoff motiviert hat und die bei der Lektüre seiner Liebeserklärung an diese Musik und ihre Macher präsent wird. 4,5

Johnny Cash made his miseries into great music that expressed elements of common suffering“, schreibt Dawidoff über den Rockabilly-Rebellen der Fifties. Wie der einst furiose Songwriter und Twang-Fetischist zum Man in Black mutierte, zur amerikanischen Ikone, erzählt er höchstselbst in „CASH“ (Harper, ca. 50 Markt) mithilfe von Patrick Carr, dessen Aufgabe es war, Ordnung in die Anekdotenstapel zu bringen und, wo nötig, sprachlich Beistand zu leisten. Cash räumt rückhaltlos mit einigen liebgewordenen Klischees auf, doch inwieweit er sein Innerstes nach außen kehrt, mag dahingestellt bleiben. Die privaten Fotos geben oft mehr Aufschluß als der Text 3,5

„I love this book. Vast, comprehensive, revealing, exciting, and entertaining, it’s an original in a roomful of carbon copies“, sagt Johnny Cash über „WAYLON“ (Warner, ca. 50 Mark), die gelungenere Autobiographie seines Freundes und Mit-Highwayman Waylon Jennings. Lenny Kaye, im Hauptberuf Autor, im Nebenberuf Gitarrist für Patti Smith, erweist sich als ingeniöser Co-Writer, der Waylons lakonischen Humor frei walten läßt und ihm lediglich ein erzählerisches Gerüst gibt Das liest sich dann so: „On Tuesday morning, June 15. 1937. Momma went up to the main farm house and birthed me. Daddy got to celebrate his first Father’s Day that Sunday.“ Jene schicksalhafte Nacht, in der das Flugzeug mit Buddy Holly abstürzte, wuchs sich für den damals 22jährigen Jennings zum Trauma aus, obwohl er noch nicht lange zu den Crickets gehört hatte. Doch war der nur neun Monate ältere Holly nicht nur Waylons Leitbild, sondern mußte ihm vorkommen wie das Ticket zu Ruhm und Reichtum. „My whole world was destroyed“, schreibt Jennings. Es sollte ein paar Jahre dauern, bis er sich berappelte. Die Sessions im JD’s, Karriere in Nashville, die Outlaw-Bewegung, Streit mit Tompall Glaset; Vertragspoken Ups & Downs ohne Ende: Es scheint, als müßte sich Jennings einiges von der Seele reden. Daß er zuweilen selbst alles andere als eine heroische Figur abgibt, spricht sicher eher für Ehrlichkeit Kein geschöntes Buch also, so wenig wie Waylon Jennings ein geschniegelter Kerl ist. Schade bloß, daß die Discographie zwar fast zwanzig Seiten umfaßt, aber dennoch nur „selected“ ist, will sagen: unvollständig. 4,0

Visuelles Vergnügen bereitet „CROSSFIRE HURRICANE“ (Genesis, ca. 300 Mark), allerdings, da nicht gerade billig, wohl nur den eisenharten Stones-Fans. Qualität hat halt ihren Preis, und „The Photographs Of Bob Gruen“ werden hier exquisit auf Kunstdruckpapier reproduziert, farbig meist, Silkscreen-gebunden und auf 1750 vom Künstler signierte Exemplare limitiert. Fragt sich, was die Kamera der meistfotografierten Band noch abtrotzen kann, erst recht wenn es sich wie hier größtenteils um Konzert-Fotos handelt, bislang unveröffentlichte zwar, aber letztlich doch nur Variationen einer tausendmal gesehenen Posen-Klaviatur. 25 Jahre lang ging Gruen im Fotografen-Graben vor der Bühne in Stellung und hielt drauf. Seine besten Shots sind hier zu sehen, alle in Amerika aufgenommen seit 1972, die letzten in Chicago im September 1997. So nimmt die Sammlung den Charakter einer Dokumentation an, der ebenso hoch zu veranschlagen ist wie der künstlerische Wert der Bilder. Ein netter Bonus sind die Backstage-Schnappschüsse von privateren Momenten: Mick mit John & Yoko, Andy Warhol, Dr. John; Keith mit Chuck Berry, Iggy Pop, John McEnroe; Prominenten-Stelldicheins, Fan-Luxus. Eine Gratis-Broschüre zum Prachtband gibt es vom Verlag (Telefon: England 01483-537431). 4,0

„RE-MAKE/RE-MODEL“ (Star düster, PF 1421.58798 Balve, 50 Mark) ist „die Geschichte von Roxy Music, Bryan Ferry und Brian Eno“, erzählt von Jürgen Wanda, der damit eine klaffende publizistische Lücke schließt Wichtigere und bessere Bands als Roxy Music gab es in den 70er Jahren nur wenige, und Wandas Patchwork-Produkt aus eigenen Erkenntnissen („Brian Enos Persönlichkeit ist ziemlich komplex“) und Zitaten aus Zeitschriften („Bryan Ferry ist für mich der Wiener unter den Engländern“ -Ingeborg Schober), aus sinnigen Kritiken und schlichten Beschreibungen, aus Erinnerungs- und Interviewfetzen, bietet einen guten Überblick über das Schaffen der Glamrock-Pioniere. Und etliche Details, fleißig zusammengetragen und nicht selten decouvrierend. An der überaus peniblen und ausführlichen Discographie ist nur auszusetzen, daß im Unterschied zu den LP-Covers die Singles-Sleeves nicht abgebildet werden. 3,0

Noch näher dran am Objekt ist Armin Pongs in seinem Buch über John Watts: „VON A BIS FISCHER-Z“ (Dilemma, Montgelasstt 8.81679 München, 44 Mark) beleuchtet jeden denkbaren Aspekt der 20jährigen, wechselvollen Laufbahn des britannischen Multi-Wavers, biographisch, analytisch, exegetisch. So komplett, daß man geplättet ist. A labour of love, obviously. 3,5

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