Drucksachen VON ARNE WILLANDER

Kultbucher

Frank Schäter

SCHWARZKOPF & SCHWARZKOPF (30DM}

„Eine Auswahl“ nur ist es, und wie er ausgewählt hat, erklärt Frank Schäfer (in diesem Blatt der Mann fürs Grobe, das bei ihm allerdings ganz fein beschrieben wird) in den Thesen des Vorworts: Weshalb etwa Ernst Jüngers Weltkriegs-Schwarte „In Stahlgewittern“ und Karl Mays haarsträubender Unfug „Winnetou, der rote Gentleman“, gar Verena Stefans feministischer Durchfall „Häutungen“ kultwürdig sind – „Die Fälschung der Welt“, „Die unendliche Geschichte“, „Steppenwolf“ und , ,Reise ans Ende der Nacht“ aber nicht Aber doch! Ein zweiter Teil wird vorbereitet, und die Bücher müssen ja auch gelesen werden. Warum nicht „Fiesta“? „Der große Gatsby“? So kann man ewig weitergranteln. Was zählt: „Der Fänger im Roggen“, „Forellenfischen in Amerika“, „Catch 22“, „In-Schwimmen-zwei-Vögel“, „Finnegeans Wake“, „Lolita“, „Garp“, „Unter Null“ und „Generation X“ sind drin. Und wie Schäfer diese bodenlosen Bücher nacherzählt, insbesondere die schnurrige „Schatzinsel“, das ersetzt einem zwar nicht die Lektüre, lässt einen jedoch eventuell freudig bemerken, dass man den Winnetou zu Recht verpasst hat. Die Gastbeiträge von Hartmut El Kurdi, Gerald Fricke, Jürgen Roth (der Verona-Schänder!) und Michael Rudolf widmen sich ihren Gegenständen überschwänglicn, ja sprachgewaltig. Schäfer selbst bleibt gelassen im Tonfall, illuminiert manche unvergessliche Passage, rettet Kerouac und weist Burroughs in die Schranken, vergießt eine Träne für Holden Caulfield und lässt Pynchons hermetische „Enden der Parabel“ mit gutem Grund aus: Man packt den Schinken nicht. „Die Versteigerung von No. 49“ hätte möglicherweise ja auch gereicht Kurzum: Schäfer lesen ist wie Herz waschen. Ob das nun Kult ist oder nicht doch Geist der Zeit vielleicht jugendliche Schwärmerei oder allemal Sentimentalität: Wer weiß, wozu es gut ist. Jedenfalls liest man wieder mit frischen Augen. Oder immer wieder dasselbe. Ich empfehle „Wittgensteins Neffe“ von Thomas Bernhard. 5,0

Schlager

Rainer Moritz (DT v. 16 DM) Der intellektuelle Schlagerfuzzi ist so unangenehm analfixiert wie der intellektuelle Donald-Duck-Fan und der intellektuelle Fußballanalytiker. Es handelt sich bei solchen Obessionen um ähnliche Gebrechen wie Modelleisenbahnen sammeln, JPlayboy“-Jahrgänge archivieren und Elvis-Memorabilia zusammentragen. Rainer Moritz geht es in seinem dankenswerterweise schmalen Buch der Passion um liebenswürdige Schrulligkeit Der Leiter des Hoffmann 8C Campe Verlags ist kein blindwütiger Fanatiker – seit er in der Heilbronner Bäckerei Käser infiziert wurde, pflegt er seinen Spleen im Wissen um die Nebensächlichkeit Wenn Moritz in die Niederungen eines Howard-Carpendale-Konzerts hinabsteigt und die Masche des Troubadours untersucht nebst Verhaltensmustern in den Texten (der Mann hat gesündigt, bereut und bittet um Wiedereintritt in die Sphäre der Frau) sowie die erotischen Wellen im Publikum beschreibt, dann gruselt es uns wohlig. Schön auch die 37 Favoriten unter den Schlagerschaffenden und die Brechmittel – darunter Ruinen, die auch beim Laien Ekel auslösen: Roberto Blanco, G. G. Anderson, Heino, Costa Cordalis und Peter Alexander. Auf den ersten drei Plätzen des Pandämoniums befinden sich Jürgen Drews, Wolfgang Petry und Tony Marshall. Es ist eine seltsame, finstere Welt Aber eben auch vollkom-SEIDL

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