Drucksachen :: von Birgit Fuß

„“ADVENTURES IN HI-FI: THE COMPLETE R.E.M.“ (Orion, 30 Euro) von Rob Jovanovic und Tim Abbott. In Fan-Kreisensind die beiden Autoren längst bekannt – als diejenigen, deren Bootleg-Archive selbst den sammelfreudigen Peter Bück beeindrucken dürften. Der ließ sich für dieses Kompendium gerne interviewen, das Vorwort schrieb Scott Kannberg (Ex-Pavement). Ansonsten gibt es nicht viel Neues, aber wie sollte es auch: Alles, aber auch wirklich alles, was man über Stipe, Mills, Bück und Berry unbedingt wissen muss, hat ja schon Marcus Gray in „It Crawled From The South“ zusammengetragen. Trotzdem lohnt sich dieses 350 Seiten starke Werk – wegen der allerliebsten Fotos aus den Anfangstagen in Athens und all der Presse-Ausschnitte, vor allem aber wegen einer Sisyphus-Arbeit, die sich nur Freaks zumuten können: Hier werden alle Konzerte aufgelistet, die R.E.M. je gespielt haben – samt Setlist. 4,0

„“NEIL YOUNG: REFLECTIONS IN BROKEN GLASS“ (Canongate, ca. 17 Euro) von Sylvie Simmons ist der zweite Teil der Serie „“Mojo Heroes“. Auf gerade mal 220 kleinen Seiten kann man diesem so widersprüchlichen Mann natürlich nicht ganz gerecht werden, und auf längere Abhandlungen oder gar Analysen zu Songs verzichtet Simmons komplett, aber Youngs Geschichte ist auch ohne allzu viele Details spannend genug. Die Ruhelosigkeit und Eigensinnigkeit, mit der er sich oft selbst im Wege stand (von seinen Bandkollegen zu schweigen), die Familiensorgen und Gesundheitsprobleme – all das wird thematisiert, und auch Youngs seitsame Freundschaft mit Charles Manson. Verstehen wird man Young nach der – ausgesprochen unterhaltsamen, weil unprätentiös geschriebenen – Lektüre nicht viel besser, dafür ist hier zu wenig Platz, aber für einen ersten, recht guten Eindruck reicht es allemal. Wer sich nun eine Bibliothek der „Mojo Heroes“ anlegen will, sollte schnell anfangen: Die Edition ist auf je 7500 Bände limitiert. Die anderen bisher erschienenen Bücher sind Marvin Gaye, Otis Redding und Arthur Lee gewidmet. 3,5

„“THE DOORS: SOUNDS FOR YOUR SOUL“ (SieGe, 38,50 Euro) von Heinz Gerstenmeyer analysiert auf 340 großformatigen Seiten jeden Song der Doors und zwar fast ausschließlich aus der Sicht der Bandmitglieder plus Produzent Paul Rothschild. Dass die nicht immer objektiv urteilen, ist klar, macht aber nichts. Manchmal reden sie allerdings auch Blödsinn, wie zum Beispiel John Densmore: „LA. Womari ist so etwas wie das erste Punk-Album. Die Leidenschaft ist da, und es enthält ein paar falsche Töne, aber das ist in Ordnung.“ Lustig auch die ständigen Diskussionen darüber, wer nun welche Passage eines Songs geschrieben hat. Und auf die nicht benutzte erste Version von „“Not To Touch The Earth“ anspielend, sagt Morrison: „“Wahrscheinlich wird es einmal in 50 Jahren auf einem ‚Spezialalbum‘ veröffentlicht.“ Als hätte er geahnt, dass seine drei Kollegen später jeden Ton, den er je aufgenommen hat, zu Geld machen würden. Ausführlich ist auch der Anhang: Discographie, Verkaufszahlen, Charts, außerdem einige handschriftliche Notizen Morrisons („I am not mad. I am interested in freedom.“) und das tragische Kapitel Paris. 3,0

„“POP-LEXIKON“ (Rowohlt, 12,90 Euro) von Siegfried Schmidt-Joos und Wolf Kampmann sieht sich lediglich als aktuelle Ergänzung zum wesentlich ausführlicheren „“Rock-Lexikon“ von Schmidt-Joos, Barry Graves und Bernward Halbscheffel und will vor allem die Bereiche abdecken, die unter dem Begriff „“Rock“ gar nicht mehr zusammenzufassen sind. Aber warum wurden dann Sepultura aufgenommen und die Inchtabokatables? Und wenn es um Gruppen gehen soll, die „den „historischen Test bestanden“ haben, was haben TicTacToe dann hier verloren? Den Platz hätte man vielleicht Rio Reiser schenken können. Klar, dass eine Auswahl für solche Werke immer kompliziert ist und niemals jeden zufriedenstellen kann. Aber dass auch noch ausgerechnet Nervensäge Naidoo den Titel ziert, ist unverzeihlich. 2,5

„“EIN LIED KANN EINE BRÜCKE SEIN“ (Hoffmann und Campe, 25 Euro) von Jan Feddersen erzählt „Die deutsche und internationale Geschichte des „Grand Prix Eurovision“. Es begann 1956 in Lugano, und was haben wir seitdem nicht alles gesehen bei dieser Veranstaltung: Udo Jürgens und Vicky Leandros, Abba und Bucks Fizz, Nicole und Celine Dion. Auf 430 extrem bunten Seiten werden Gewinner und Verlierer aufgelistet, es wird aber auch Zeitgeschichtliches erzählt (als ob die Frisuren und Kostüme nicht schon genug aussagten) und manchmal – zwischen all dem Spaß bei Bowle, Käseigel und Nussecken – sogar kritisch hinterfragt. So spricht Michelle über ihre Achselbehaarung und gibt zu: „“Nichts ist perfekt. Ich auch nicht. Wenn man mal abkratzt mit der Stimme, da merken die Leute, da ist ein Mensch.“ Weiß Gott. 3,0

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