Drucksachen :: von Wolfgang Doebeling

„RIP THIS JOINT“ (Rockbuch, 30 Euro) von Steve Appleford erschien im Original vor fünf Jahren unter dem Titel „It’s Only Rock’n’Roll“, erzählt die „Story zu jedem Song“, derer 300 immerhin, und gehört auch in dieser deutschen Ausgabe zu den essenziellsten, sagen wir, 40 Stones-Büchern überhaupt. Nicht weil es komplett wäre. Die Geschichte des „Cocksucker Blues“ fehlt, und damit ein klassisches Lehrstück in der Reihe Künstler contra Plattenfirma. Nicht weil Applefords Informationen immer stimmig, seine Interpretationen nie diskutabel wären, sondern weil seine systematische Aufarbeitung dieses phänomenalen, nur mit Dylans Output vergleichbaren bocfyo/ww/c wie ein Mosaik in der Summe viel Sinn macht. Im Detail lässt sich so mancher Lapsus ausmachen, ärgerlich ist nur Seite 115: „Keith war immer von verdammten Idioten umgeben“, wird Engineer Andy Johns da in großen Lettern zitiert, „manche hatten einen verheerenden Einfluss“. Und daneben prangt ein Foto von Gram Parsons. Au weia. 4,5

„THE SMALL FACES & OTHER STORIES“ (Sanctuary, ca. 18 Euro) von Uli Twelker und Roland Schmitt ist die aktualisierte, erweiterte Ausgabe der ’97 erschienenen Bio „Happy Boys Happy“. Vor allem die extrakurikulären Aktivitäten werden heller ausgeleuchtet, die FacesÄra, Humble Pie sowie die solistischen Eskapaden der Protagonisten, von Ronnie Lane über Rod Stewart bis Ron Wood. Für Fotos hat das Budget leider nicht gereicht. 4,0

„MAXIMUM WHO“ (Genesis, ca. 380 Euro) , kompiliert von Ross Half in, ehrt das Pop-Art-Quartett endlich so, wie die Beatles und Stones schon zigmal beweihräuchert wurden: in Form eines edel-opulenten Coffeetable-Bandes. Ein veritables Fest fürs Auge, eine Last fürs Konto. Wasdie Zielgruppe dieses 276 Seiten starken, großformatigen und auf nur 1500 Exemplare limitierten Prachtbandes kaum abschrecken dürfte. Die besten Jahre der Modpop-Pioniere revisited, noch mal der spinnerte Moon, noch mal der stoische Entwistle, noch mal „I hope I die before I get old“. Und, omnipräsent, der Union Jack. Nun auf Halbmast. 4,5

„MOTOWN: THE GOLDEN YEARS“ (Krause, ca. 35 Euro) von Bill Dahl dokumentiert die Label-Historie 1959 bis 72, und ist für Tamla-Enthusiasten schon der zahlreichen Abbildungen wegen unverzichtbar. Eine Discografie fehlt kurioserweise, dafür schaut Dahl hinter die Kulissen von Berry Gordys Imperium und liefert mehr als 100 Künstler- und Band-Porträts, nicht nur gängiger, sondern auch peripherer Motown-Artists wie der Rock’n’Roller Dorsey Burnette und Johnny Powers. 4,0

„NEW YORK ROCKER“ (Sidgwick & Jackson, ca. 16 Euro) von Gary Valentine liest sich wie ein Roman und ist doch eine Autobiograf ie, wie der Subtitel nicht lügt: „My Life In The Blank Generation 1974 -1981“. Das Blondie-Gründungsmitglied, Komponist von „X-Offender“ und „Presence, Dear“, wurde früh ausgebootet und lernte das Biz im allgemeinen und New Yorks Punk-Szene im Besonderen von ihren bizarrsten, bösesten und intrigantesten Seiten kennen. Valentine treibt sich an den Brennpunkten herum, macht nähere Bekanntschaft mit Profiteuren und Parasiten, tourt mit Iggy Pop und diskutiert den ganzen Wahnsinn wie einer, der heilfroh ist, ihn überlebt zu haben, klüger und sehr viel trauriger. Mit den dubiosen Kommunikationsproblemen, die ihm den Weg zur Blondie-Reunion verwehrten, endet Valentines so faszinierende wie desillusionierende Bilanz jener wilden Jahre, zu denen sich die Strokes verhalten wie Shakin‘ Stevens zu den Fifties. Read all aboutit. 4,5

„WIE CHESS DEN BLUES VERGOLDETE“ (Hannibal, 26 Euro)

von Nadine Cohodas wurde in der amerikanischen Original-Ausgabe mit dem Titel „Spinning Blues Into Gold“ bereits vor zwei Jahren in dieser Kolumne ausführlich gewürdigt, und bleibt auch in der von Rüdiger Hipp übersetzten, vorbildlich editierten deutschen Version äußerst empfehlenswerte Lektüre. Ein wichtigeres Label als Chess Records hat es nie gegeben, ein besseres Buch über die Goldschmiede des Rhythm & Blues auch nicht. Der Siegeszug schwarzer Popmusik beginnt hier. 4,5

„CHET BAKER – BLUE NOTES“ (Hannibal, 20 Euro) von Lothar Lewien trägt zwar einen reichlich pathetischen Untertitel („Engel mit gebrochenen Flügeln“), erweist sich aber als feine Einführung in Leben und Werk des Melodikers und Lyrikers an der Trompete. Lewien erzählt, wie und warum Bakers Musik und sein Mythos Besitz von ihm ergriffen, schön nachvollziehbar. 4,0

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