Drucksachen von Wolfgang Doebeling

Es ist oft der Mangel an Distanz, der die Biographen scheitern läßt, das sorgsam bemäntelte Bemühen, die untersuchte Person und ihr Leben ins rechte Licht zu rücken. Ärgerlicher noch sind Bios, die weder von Ahnung noch Affinität angekränkelt sind und nur vordergründigen Zwecken genügen, etwa dem Broterwerb oder, schlimmer, der Ego-Politur. Albert Goldman mag das häßlichste Exemplar dieser Species gewesen sein, doch sind nach seinem Tod andere Giftspritzer auf den Plan getreten. Biographien sind demnach mit größter Vorsicht zu genießen. Solche, die keinen dieser Mängel aufweisen und überdies literarische Meriten haben, sind entsprechend selten.

„BUDDY HOLLY“ von Ellis Amburn (SLMartin’s Press, 420 Seiten, ca. 50 Mark) ist so eine Rarität. Amburn hat sich bereits ab Biograph zweier anderer Texas-Legenden bewährt (Janis Joplin und Roy Orbison) und ist selbst Texaner. Mehr als 200 Zeitzeugen horcht er aus, gräbt tiefer als alle Holly-Biographen vor ihm und fordert Erhellendes und Erstaunliches zutage. Etwa das einseitig ausbeuterische Verhältnis zwischen dem Rock’n’Roll-Pionier und seinem nicht weniger begabten Produzenten Norman Petty. Oder der schändliche Umgang von Hollys Geburtsstadt Lubbock mit dem Vermächtnis ihres größten Sohnes. Diskutabel immerhin ist, ob die Zustandsbeschreibung der Leichen von Holly, Big Bopper und Ritchie Valens nach dem Flugzeugabsturz wirklich dermaßen grausig-detailliert ausfallen mußte. Und völlig frei von Fehlern ist auch diese Bio nicht (wer ist Cliff Richards?). Sieht man jedoch von solchen Petitessen ab und von kleineren musikhistorischen Ungereimtheiten, ist dieses Buch stilistisch formidabel und inhaltlich über weite Strecken faszinierend. 5,0

Vergleichsweise sycophantisch und Objekt-vernarrt ist „LENNON“ von John Robertson (Omnibus, 130 Seiten, ca. 40 Mark), eine großformatige Chronologie in Tagebuchform, Robertsons Stärke ist weniger das Decouvrieren und Sezieren, sondern die Interpretation, die Analyse. Wir erfahren Nützliches über den Konzeptkünstler John Lennon und seinen Kunstverstand und Unnützes über allerlei Bed-ins und Bag-ins. Problematisch ist Robertsons Einstellung zu Yoko Ono. Die mag er sehr, was gewiß verzeihlich ist. Doch wenn er ansetzt, Onos verheerenden Einfluß auf Lennons Musik verharmlosend zu billigen, reißt irgendwann der Geduldsfaden. 3,0

Ray Coleman, selbst Lennon-Biograph und Co-Autor von Bill Wyman, hat sich der Vita eines Mannes angenommen, den wir seit langem als Bonnie-Tyler-Soundalike fürchten: „ROD STEWART: THE BIOCRAPHY“ (Pavilion, 160 Seiten, ca. 25 Mark) räumt ordentlich mit dem Vorurteil auf, der Blondierte sei blöd und seine Musik miserabel. Wir lernen, daß dies nur für die letzten 20 Jahre gilt. Davor war Rod The Mod richtig auf Draht, manchmal integer und immer besoffen. Die Jetset-Kapriolen bleiben uns erspart, die Jugendjahre nicht und das ist gut so. Colemans Schreibe ist auf etwas biedere Art altmodisch, hat aber den immensen Vorteil, allzeit unzweideutig zu sein. 2,5

Über alle Maßen verdienstvoll ist „LEFTY FRIZZELL: THE HONKY-TONK LIFE OF COUNTRY MUSIC’S GREATEST SINGER“ von Daniel Cooper (Litde/Brown, 330 Seiten, ca. 45 Mark), gab es doch außer der Fleißarbeit von Bear Family-Archivaren bisher keine umfassende Würdigung dieses bedeutenden Vokal-Stilisten. Allein die Passagen über Leftys Existenzkampf in den 40er Jahren und die intimen Einblicke in das von Rivalitäten beherrschte Nashville der 50er und 60er Jahre verdienen einen Pulitzer-Preis, auch wenn vieles im dunkeln bleibt, etwa die Knebel-Deals der gewieften Publisher in der Music City U.S.A. oder Frizzells gespanntes Verhältnis zu Elvis und den Folgen. Trotzdem: Essential reading. 4,5

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