Eddy Arnold – There’s Been A Change In Me

Als Eddy Arnold 1969 bei dem an die Grammy Awards anschließenden Bankett auf die Bühne ging, begrüßte man ihn mit… Hühner-Gegacker! Spötter wollten so satirisch karikiert wissen, dass der Country-Megastar der Nachkriegsjahre neuerdings ins Geschäft mit tiefgefrorenen Hähnchen eingestiegen war. Vier Jahre später feuerte ihn dasselbe Unternehmen, das mit Millionen verkaufter Platten von ihm größere Summen verdient hatte. Ein RCA-Pressesprecher damals: „He may have been king, but there isn’t much room for royalty these days.“

Zur selben Zeit, als Johnny Cash gerade Bob Dylan entdeckte, jodelte sich Arnold noch mal durch seinen alten Hit „Cattle Call“ und landete mit Western-Klassikern wie „Cool Water“, „Tumbling Tumbleweeds“ und „Carry Me Back Tb The Lone Prairie“ 1963 erstmals überhaupt in den „Top Pop 200 LPs“ von „Billboard“. Auf Platz 131 wohlgemerkt. Zweijahre später dann auch in den Top Ten: „Make The World Go Away“ war der Song, mit dem er endgültig zum Popstar weltweit avancierte.

Gerade noch rechtzeitig, nämlich 1966, hatte man ihn in die „Country Music Hall Of Fame“ gewählt und so einen Sänger geehrt, der sich im Vierteljahrhundert davor um die Popularisierung der Gattung mehr Verdienste erworben hatte als die meisten Kollegen. Oder um das zu präzisieren: um die Kommerzialisierung. Am Anfang war er noch mit den Golden West Cowboys aufgetreten, dann als Tennesse Plowboy mit seiner Gitarre auch bei einem urbanen Publikum beliebt geworden, das dem Genre sonst wenig bis nichts abgewinnen konnte. Seinen Gesangsstil modellierte er anfangs nach dem Vorbild von Gene Autry und dem von Pete Cassell, ein in den späteren 30er Jahren im Süden ziemlich bekannter blinder Sänger.

Was der Titel seines zweiten Bear Famiiy-Box Sets, „There’s Been A Change In Me“, meint: Schon ab 1948 fühlte er sich zunehmend unwohler in dieser ganzen Hillbilly Music und dem sozialen Umfeld, dessen Sehnsüchte diese Country-Songs artikulierten. Sein (klamm)heimliches Idol war damals wohl schon eher Bing Crosby. Vielleicht träumte er da bereits bisweilen davon, endlich im Smoking mit Fliege auftreten zu dürfen. Aber bei allen Crooner-Ambitionen war er da doch so klug, sich seinem angestammten Publikum nicht radikal zu entfremden. Für jedes „Unchained Melody“ nahm er erst mal noch zehn mehr dem Country-Genre zuzurechnende Songs auf. Dabei verachtete er eigentlich dieses ganze Bauerntrottel-und ländliche Proleten-Milieu, auf das die Manager der Grand Old Opry seiner Meinung nach so gierig als Klientel spekulierten. Der white trash war so gar nicht sein Ding, und Südstaaten-Bierdimpfl betrachtete er so wenig als sein Publikum wie hinterwäldlerische Suffköppe.

Den Grund dafür, warum er nach 1948 nie mehr in der Opry auftrat, erklärt sein Biograf Michael Streissguth in den Liner Notes: Wer als offizieller Opry-Künstler auf Tournee gehen wollte, sollte 15 Prozent seines Umsatzes an dieselbe Institution abführen. Das hielt Eddy Arnold allerdings für reine Wegelagerei und ein ausgemachtes Schurkenstück.

Was nachmals – diese Aufnahmen neu oder wieder gehört dann doch auffällt: Berühmte Songs wie das originale „The Cattle Call“ von 1955 klingen schon so, als habe sich da ein zivilisierter Nachtclub-Crooner in eine ausgelassene Viehzüchter-Veranstaltung verirrt. Eigentlich herzzerreißendes Liedgut wie „No One Will Ever Know“ sang er merkwürdig unbeteiligt (weshalb das vielleicht seinerzeit nicht veröffentlicht wurde und in diesem Set erstmals als eine von fast vier Dutzend unveröffentlichten Aufnahmen auftaucht). Glaubwürdig emotional beteiligt interpretierte er nur gelegentlich einen klassischen Country-Heuler a la „I’ll Never Get Over You“. Weil von Elvis Presley (der ihn in Jungenjahren hörbar zum Vorbild nahm, bei „When My Blue Moon Turns To Gold Again“ und vielen anderen Songs!) bis Emmylou Harris („Making Believe“) sich doch immer wieder mal nachgeborene Sangeskollegen bei seinem Repertoire bedienten, fällt im Vergleich umso krasser auf, wie selten er sich vor dem Mikrofon zu Momenten wahrer Empfindung und etwas profunderer Deutung autraffen mochte.

Er konnte es vielleicht auch nicht besser. Bei „Barbara Allen“ ist seine Bing Crosby-Idolatne nicht zu überhören. Auch „The Rovin‘ Gambler“ darf man nicht mit der wunderbaren Everly Brothers-Version vergleichen, so munter und glatt, wie er das abspult. Die durch begleitenden Mädchenchor total verschnulzte Knast-Ballade „Down In The Valley (Birmingham Jail)“ klingt heute fast unfreiwillig komisch in dem totalen Anachronismus der Produktion. Es dürfte wohl niemanden geben, der ihm jemals „Sometimes I Feel Like A Motherless Child“ abnahm. Das alles hatte er 1955 für sein „Folk“-Projekt „Wanderin“ aufgenommen (die LP ist hier komplett auf der sechsten von sieben CDs zu hören). Dass er sich bei der Gelegenheit zu beseeltem Vortrag a la Mahalia Jackson aufgerafft hätte, kann man wahrlich nicht behaupten.

Streissguth schreibt trotzdem, „Barbara Allen“ gehöre zu den „Sterling Performances of his career“. Ähnliches behauptet er immerhin nicht von Eddy Arnolds Aufnahme von „Cold, Cold Heart“. Und zitiert dann noch einmal, was der allen Kritikern von Hugo Winterhalters Pop-Arrangement von „The Cattle Call“ entgegenhielt: „I’m crying all the way to the bank.“ Das war ehrlich.

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