Eine Frau unter Einfluss :: Lieder aus dem Fernsehsessel: die Songschreiberin Juliana Hatfield
Manchmal muß man die Kunst vor der Künstlerin in Schutz nehmen. „Früher war meine Musik voller Klischees“, sagt Juliana Hatfield. Finde ich gar nicht. Nenn mal ein Beispiel.
Nach langem Überlegen: „Jetzt fällt mir natürlich keins ein.“
Was sollte ihr auch einfallen? Daß sie auf ihren beiden ersten Platten davon singt, a crush on somebody zu haben, oder davon, daß sie keiner mag? Oder daß die Melodien zuweilen weich daherkommen wie ein Bubblegum und der eine oder andere Break reinhaut wie ein bockendes Motorrad? Das alles kennen wir natürlich aus der Phraseologie des Teenie-Pop, das alles aber ist bei Juliana Hatfield nur Rohstoff, den sie biegt und bricht, um eine ganz eigene Sprache zu entwickeln. Eine ziemlich schlichte Sprache ist das. Sie sagt mehr über Schmerz und Jugend und Emigration aus, als all diese neuen Kinofilme, in denen junge Leute ziemlich spektakuläre Dinge tun und reden müssen, nur um zu beweisen, daß sie einer ganz unspektakulären Generation angehören.
Hören wir uns einfach noch einmal „Become What You Are“ an. Geschmeidige Harmonien durchziehen dieses Werk; doch nie nehmen sie den Verlauf den man vermuten würde. Hier brechen sie ab, dort schlängeln sie sich spiralenartig in die Höhe. Und der kicksende Gesang kippt manchmal ins Knurren. Die Texte stammen aus einer Wirklichkeit, die längst medial ist – was nicht heißt, daß in ihr keine echten Gefühle existierten. Die Songschreiberin singt von langbeinigen Supermodeis oder von Situationen aus Filmen, die sie gesehen hat. Wie „A Woman Under The Influence“ von John Cassavetes, wo es um die Psychosen einer Hausfrau geht In „Little Pieces“ rät sie, nie zu- viel von sich preiszugeben.
Die Songs auf „Become What You Are“ wurden von der Galerie, oder besser: aus dem Fernsehsessel geschrieben. Nach den Adoleszenz-Dramen, jenen Geschichten übers Verzweifeltsein und Ekligfühlen, gibt sie hier eine Befindlichkeit wieder, die zwischen neutral und neurotisch liegt Damit bildet sie das Gegenstück zu Musikerinnen wie Courtney Love oder Liz Phair, die durch ihre Songs zu Promoterinnen ihrer selbst werden. Berichtet couch potato Juliana Hatfield nur über Beobachtungen und bleibt als „Ich“ passiv, auch wenn sie emotional ergriffen ist, so übernehmen die – hüstel babes Love und Phair immer die aktive Rolle, selbst wenn der Stoff ihrer Songs vielleicht nur beobachtet ist So wird jede Handlung zur Agitation, zum Statement Das wird man von Hatfield nie bekommen. Mit ihrem Phlegma verkörpert sie das Modell der MTV-Guckerin.
Jetzt ist das dritte Album da. Sie selbst hält es für ihr bestes. „Ich bin stolz auf die letzten beiden. Aber das ist eigentlich nicht die Musik, die ich selber höre“, gesteht sie. Jetzt sind die Gitarren härter, aber die Songs straighter. Universeller, würde die Künstlerin sagen, die hier via Song-Titel deklariert: „Simplicity Is Beautiful“. Immerhin gibt es vor den Stücke meist hübsche Pop-Klopfer, allerlei Späßchen. Die Chefin fordert die guys zum Beispiel auf, ihr mal ’n bißchen Baß zu geben. Vor einer extrem relaxten Nummer erschallt ein übertriebener Trommelwirbel. Sie heißt „Universal Heartbeat“: „A heart that hurts/ Is a heart that works.“