Element Of Crime – Die schönen Rosen

Sven Regener ist schon überall gewesen – und überall ist es schöner, wo er er gerade nicht ist. Seit er seine Texte in deutscher Sprache schreibt, arbeitet er an Erinnerungszyklen und Momentaufnahmen, die er wie poetische Fotoalben arrangiert. Element Of Crime senden Nachrichten aus einer antiquierten Welt, einem Paralleluniversum, in dem Romantik als Heimeligkeit buchstabiert wird und die Intensität immer schon ewig ist. Denn die Intensität des Schmerzes, die in Regeners wahrhaftigsten Songs – in „Weißes Papier“ etwa oder in „Schwere See“ – aufleuchtet, kann nicht verlorengehen. Regener ist der Retter der Heillosigkeit, der Minnesänger überzeitlicher Melancholie.

Er ist auch der einzige deutsche Klassizist, dessen Schaffen vom notorischen „anglo-amerikanischen Rock“ kaum je berührt wird. Es rührt zu Tränen, wie er ein besseres Lindenberg-Lied, „Leider nur ein Vakuum“, sich einverleibt und zu einem großartigen Regener-Song umkomponiert. So unbehaust, so unfertig, so untröstlich seine Figuren sind – in ihrer Welt jedenfalls eignet noch den Banalitäten des Alltags, noch den Widrigkeiten des bloßen Weiterlebens eine traurige Würde, ein verzweifelter Trotz. „Schade um die schönen Rosen“, singt er diesmal – wie er einst „Mach‘ das Licht aus, wenn du gehst“ raunzte – „na, dann eben nicht“

„Die schönen Rosen“ handelt natürlich von der Liebe als Mysterium und Mirakel, Stimulans und Tragödie, und je öfter man diesen Reigen hört (und man will ihn selbstverständlich immer wieder hören!), desto mehr bewundert man die raffinierte Konstruktion, die Regener allen Zwängen der Konsumierbarkeit entgegengesetzt hat. Leise raunt er am Anfang „Nur so“, eine Beschwörung, die das Unglück bannen soll. „Wenn der Morgen graut“, dann ist es schon vorbei, die Wege sind „öde und leer“, und „wo ist der Gott, der uns liebt“?

Vielleicht beobachtet er das Szenario von „Mit dir allein“: „Im Hinterhof zerplatzt eine Lampe/ Und als stiller Komplize kriecht die Dämmerung zu uns herein.“ Und es wird ausgeblendet wie im Kino, wenn es einen Sinn für Dramaturgie und Nicht-Zeigbares gibt In „Ohne dich“ endet die Bewältigung des Verlustes mit einem stoischen Dennoch: „Ohne dich läuft das Leben geradeaus und die Sonne im Kreis.“ Aber wie ein Triumph klingt das nicht. Sondern wie Arbeit.

Das bedeutendste Stück von „Die schönen Rosen“, versteckt plaziert, heißt „Wer ich wirklich bin“. Die Arrangement-Kunst von Element Of Crime eröffnet hier mindestens drei musikalische Ebenen: die elegisch irisierende Violine, ganz im Vordergrund, punktuell die Trompete – und darunter der unerbittliche Sog einer zerrenden Gitarre und des Schlagzeugs. „In meinem Schädel wohnt ein Tier, das trampelt alles kurz und klein/ Was ich mir vorgenommen hab für einen lieben langen Tag/ Wozu bewegen, ich weiß ja nicht wohin.“ Die Angst singt, das Unterbewußtsein klopft den Todes-Beat.

Aus welchen Winkeln der Seele mag Sven Regener solche Worte, solche Empfindungen abrufen? Es müssen Orte sein, an denen die meisten Menschen noch nicht gewesen sind. Das ist das schöne Unglück dieser einzigartigen Musik.

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