Element Of Crime
Unökonomisch, aber schön: An sechs Abenden hintereinander spielten Element Of Crime in einem kleinen, ausverkauften Club
„Wir hängen tagsüber ab und spielen abends im Club“ heißt die Tournee von Element Of Crime – auf größere Hallen wird diesmal verzichtet. Muss ja nicht immer alles komprimiert, gewinnorientiert und kostennutzenmaximiert sein! Die Klein-aber-oft-Idee klingt so gut wie anstrengend, und wenn die Band das schafft, dann muss ein Selbstversuch her: Hält man das auch als Zuschauer durch? An sechs Tagen im April?
Abend 1
Es braucht nur ein paar Takte, dann ist die Musik von Element Of Crime schon der „Mittelpunkt der Welt“. Welche andere Band kann das: ausgerechnet beim Serge-Gainsbourg-Song „Akkordeon“ so düster wie eine Metalband wirken und danach Seemannsromantik auspacken, eine Runde auf dem Rummelplatz drehen und dann den „E-Moll-Block“ folgen lassen? Die trockenen Ansagen von Sven Regener konterkarieren aufs Schönste die Zartheit der Lieder. Wo sieht man das schon: Bei „Weißes Papier“ wird leise geweint, bei „Draußen hinterm Fenster“ wedeln die Leute mit den Armen, weil sie nicht wissen, wohin mit sich selbst. Poesie und Quatsch, Bee Gees und „Surabaya-Johnny“, Jammern und Picheln, Blaulicht und Zwielicht – nach 100 Minuten ist kein Wunsch mehr offen. Auf dem Heimweg eine letzte Frage im Kopf: In wie vielen Elements-Liedern kommt eigentlich das Wort „Vollidiot“ vor?
Abend 2
Das Konzert beginnt wie am Vorabend. Zeit, sich auch mal über die Offensichtlichkeiten Gedanken zu machen: dass Bassist Dave Young und Schlagzeuger Richard Pappik eine Bank sind -und Jakob Ilja ein verdammt guter Gitarrist ist, der praktisch alles kann, sich aber nie aufdrängt. Außerdem kommt raus, dass der Song „No Home“ einst einen deutschen Text haben sollte, Sven Regener aber kein vernünftiger Reim auf „Fuß“ einfiel. (Es gibt auch keinen, glauben Sie es mir.) Wieder wird der Zauber der Städte besungen, das Heimtückische der Liebe, die Dramatik des Alltags. Endlich spielen sie „Mehr als sie erlaubt“ und „Damals hinterm Mond“, und der alte Weggefährte Ekki Busch kommt mit seinem Akkordeon bei „Alten Resten eine Chance“ zu Besuch. Als man nach draußen tritt, sieht Berlin plötzlich milder aus.
Abend 3
Nur so viel: Wer ins Lido geht, obwohl gerade die Lieblingsmannschaft im Champions-League-Halbfinale spielt, hat einen wunderbaren Abend verdient. Und bekommen. Zwar gibt es wenig Überraschungen in der Setlist, dafür trötet Regeners Trompete bei „Vier Stunden vor Elbe 1“ – passend zu Pappiks Mundharmonika -besonders sehnsüchtig.
Abend 4
Humor muss man haben: Heute übertragt Radioeins das Konzert, und in die Live-Schalte steigt die Band – nein, nicht mit „Delmenhorst“ oder so ein, sondern mit dem schwermütigen Stampfer „Almost Dead“. Wie an jedem Abend gibt es mehrere Momente, in denen man kaum aushalten kann, wie schön diese Lieder sind: bei der zweiten Strophe von „Am Ende denk ich immer nur an dich“, beim Refrain von „Seit der Himmel“. Der Abend endet erneut mit „Bring den Vorschlaghammer mit“, draußen ist die Nacht zu hell. In wie vielen Elements-Liedern kommt eigentlich der (Voll-)Mond vor?
Abend 5
Die Frau am Eingang schaut mich schon komisch an. Sie hat wohl auch dieses „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Gefühl – mit dem entscheidenden Unterschied, dass es gar nicht schlimm ist, immer wieder bei Element Of Crime rumzustehen. Wörter, die ich in dieser Woche häufiger gehört habe als im ganzen Jahr davor: Heilsarmee. Denkungsart. Rotz. Schleusenbekanntschaft. Gartencafé. Schweinsgalopp.
Abend 6
Schon das letzte Konzert! 32 Lieder gehört, fast ebenso viele vermisst. Wie traurig „It’s All Over Now, Baby Blue“ heute klingt! Morgen werden um 20.30 Uhr gemütlich die Füße hochgelegt, „und so ist das“, wie Sven Regener sagen würde. Schade.