Elvis Presley – Elvis Live In Las Vegas
Wenn er nicht gerade „Big Boss Man“ und ein paar andere frühe Lieblingssongs – zwischendurch noch mal ganz groß in Form – sang, machte er sich am Ende zum kompletten Narren – und lachte dabei sogar noch über sich selbst. Selbst da lachte das Publikum immer noch über die Geschichten und Witze, mit denen Elvis die Songs ankündigte. Aber öfter war er die beinahe groteske Karikatur seiner selbst geworden. Als Entertainer ein Vertreter des alten Las Vegas, das Martin Scorsese in „Casino“ porträtiert, brauchte er das Publikum nach Hollywood-Exil und Comeback zur Selbstbestätigung mindestens im selben Maße, wie dieses Publikum ihn brauchte, bewunderte, vergötterte.
Anfangs knüpften die Shows ja noch nahtlos an sein phänomenales Comeback mit dem NBC-TV-Special an, wie die ersten beiden CDs dieses Box Sets – 53 von 86 erstmals veröffentlicht! – beweisen. Aber bald zehrte er mehr und mehr von der eigenen Legende, bis eigentlich auch dem letzten Fan hätte klar sein müssen: Das waren Abend für Abend leicht verzweifelte Versuche, sich selbst neu zu erfinden.
Elvis Presleys grundsätzliches Dilemma: Im Studio allezeit ein absoluter Perfektionist, der den Gang der Dinge diktierte und im Zweifelsfall Dutzende von Takes aufnahm, bis er das Gefühl hatte, endlich die definitive Aufnahme eines Songs auf Band zu haben, konnte er genau diese auf der Bühne nie übertreffen. Bestenfalls duplizierte er die Studio-Interpretation, wenn er den Song gerade neu aufgenommen hatte. Die hier auf der ersten CD zu hörende Live-Version von „Suspicious Minds“ wurde ein paar Wochen vor Veröffentlichung der Single mitgeschnitten. Deswegen hofft Elvis, dass sein Publikum den Song- trotzdem – mag.
Bei den letzten, in lausiger Qualität konservierten Aufnahmen des Jahres 1975 auf der vierten CD beliebt er gelegentlich scherzhaft zu fragen, welches Lied er denn nun singen werde. Die vier kuriosesten hier sind allerdings vom Mai 1956, bei denen ein seiner selbst sehr unsicherer Elvis – von einem merkwürdigen Show-Orchester begleitet – witzelnd hofft, dass die nächste Single für RCA Victor genauso erfolgreich sein möge wie „Heartburn Motel“ (sie). Mit der einen Monat vorher veröffentlichten Cover-Version von „Blue Suede Shoes“ schaffte er es bis auf Platz 20 der Hitparade. Mit „Money Honey“ aber nur noch auf Platz 76. Nur 43 Singles habe er davon verkauft, klagt Elvis seinen Zuhörern.
Aber von da an ging es dann doch wenig später ganz steil bergauf mit seiner Karriere. Als letzte Aufnahme singt er auf diesem Box Set – Anfang Dezember 1975 mitgeschnitten – denn auch sinnigerweise „America The Beautiful“. Derart populistischer Unfug verschattete Elvis‘ letzte Jahre. Kurzer Applaus und Ausblende.