Emmylou Harris :: Songbird: Rare Tracks And Forgotten Gems

Verblüffende und gelungene Auswahl von Emmylou-Preziosen.

Das Trio-Projekt mit Dolly Parton und Linda Ronstadt war 1987 ihre bis dahin erfolgreichste Platte, die (wohlgemerkt nicht von ihr selber verantwortete) „Duets“-LP drei Jahre später ein schlimmer Flop. Dabei lag gerade im ihrem Fall nichts näher, als große Duette mit berühmten Kollegen (George jones, The Band, Roy Orbison, Neil Young, Don Williams, Willie Nelson usw.) mal auf einem Album versammelt hören zu dürfen.

Genau das dachte man sich später auch beim australischen Oldies-Spezialisten Raven Records und sammelte auf bislang zwei „Singin With Emmylou“-CDs jeweils 10 solcher Duette – unter anderen mit Lvle Lovett,

Rosanne Cash, Vince Gill, Tammy Wynette, Albert Lee, Johnny Cash und Lucinda Williams. Nicht eines von diesen letztgenannten taucht auf den vier CDs dieses Sets auf, dafür viele andere nicht minder hochkarätige, die sie bei anderen Gelegenheiten aufgenommen hat und die allein schon diesem „Songbird“-Projekt einen hohen Sammlerwert sichern.

Das ist nicht einer der (eh schon viel zu) vielen Hits- und Best-Of-Rückblicke, die im Lauf der Zeit aus ihren Aufnahmen zusammengestellt wurden, sondern ein weit ehrgeizigeres Unternehmen, bei dem sie James Austin jederzeit nahelegen durfte, was er hier bitte bei der Auswahl zu berücksichtigen hätte. Zunächst mal und erklärtermaßen also so etwas wie eine Summe ihrer ganz persönlichen Lieblingsaufnahmen und eine Auslese, die sicher niemals so ausgesehen hätte, wenn Kritiker oder Fans mit darüber hätten abstimmen dürfen. Und das ist gut so. So wurde „Songbird“ das genaue Gegenteil von einem Greatest-Hits-plus-Outtakes-Box-Set, mehr ein Karriere-Überblick mit jeder Menge an großzügigen Zugaben, nicht zuletzt und erfreulicherweise sehr vielen Aufnahmen, die nie auf ihren Solo-Platten erschienen.

Alles beginnt mit einem Outtake ihres „Gliding Bird“-Debüts (das, vorsichtig ausgedrückt, keine Offenbarung war und bei dem sie manchmal wie eine ziemliche zickige, immerhin nicht gänzlich untalentierte Amateurin klang, die’s gut meint), bietet zwischendurch absolute Rantäten wie ihre Interpretation des Gerry-Goffin/Carole-King-Songs „Child Of Mine“, aufgenommen für das völlig obskure „Til Their Eyes Sinne… The Lullaby Album“, und endet mit dem angemessen traurigen, zum Heulen einladenden „When We’re Gone, LongGone“, eine der großen Balladen vom zweiten „Tno“-Album.

Was ihre Bewunderer vor allem faszinieren dürfte, sind solche Alternativ-Takes wie der von „Waltz Across Texas Tonight“, der mit Rodney Crowell geschriebene Song, der ein wenig wie ihr „Sister Morphine“ klingt. Oder ihre ebenfalls endlich aus dem Archiv geholte u nd jetzt öffentlich gemachte Cover-Version von Townes Van Zandts „Snowin‘ On Raton“, bei der sie von fabelhaften Studio-Cracks begleitet wurde. Kaum zu fassen, wieso so eine Aufnahme dann nicht auf „Brand New Dance“ erschien. Rare Ware, entlegener als alles, was sie für „Return Of The Gnevoux Angel: A Tribute To Gram Parsons“ mit Kollegen von Beck bis Pretenders aufgenommen hatte. Die beiden einzigen Aufnahmen hier mit Gram Parsons stammen von der nachgelassenen „Sleepless Nights“-Kollektion der Flying Burrito Brothers und dem bekannten Live-Mitschnitt mit den Fallen Angels, beide eine sehr gute Einstimmung in dieses Box-Set.

Wieso sie nach wenigen Jahren meinte, ihren Kritikern mit LPs wie „Blue Kentucky Girl u und „Roses In The Snow“ beweisen zu sollen, dass sie waschechte Country Music mache, ist nach wie vor rätselhaft. Aus einer Vorlage wie Jesse Winchesters „My Songbird“ hatte sie erst so richtige Country Music gemacht. Viel mehr Country ging gar nicht, so schlicht wie das auch an uralte Carter Family-Tradition erinnerte. Ganz ähnlich transformierte sie stilistisch auch Bruce Springsteens „My Father’s House“ und Leonard Cohens „Ballad Of A Runaway Horse“. Das mit Lucinda Williams aufgenommene „Greenville“ fehlt hier wie gesagt, dafür findet man ihre Aufnahme von „Sweet Old World“, eine der große n auf „Wrecking Ball“. Wer sich nie mit ihrem Weihnachts-Album „Light Of The Stahle“ anfreunden mochte, erhält trotzdem die exquisite Zugabe, als die sie „Man Is An Island“ mit den McGarrigle-Schwestern für die Remaster-Ausgabe von 2004 aufnahm. Das mit denselben komponierte und gesungene Demo von „All I Left Behind“ gehört zu den schönsten Entdeckungen dieses ganzen Sets. Das mit Miss Ronstadt und den McGarrigles für das „Tammy Wynette… Remembered“-Tribute von 1998 aufgenommene „Golden Ring“ wiederum dürften die meisten so wenig kennen wie ihre Beiträge zu den Tribute-Platten für Townes Van Zandt, Woody Guthrie, Country-Legende Webb Pierce, Merle Haggard und Kate Wolf.

Bei den übrigen mehr als ein Dutzend unveröffentlichten, auf den CDs 3 und 4 erstmals auftauchenden Aufnahmen handelt es sich um hochkarätiges Material von durchweg ganz süperbem Niveau.

Da fällt die Bonus-DVD qualitativ denn doch ziemlich ab. Wer immer die Idee hatte, unter den neun Videos auch ihre Darbietung von „Imagine“ unterzubringen, muss völlig von Sinnen gewesen sein. So abwegig und unpassende Schönsingerei war selten bis nie eine ihrer Interpretationen wie diese von John Lennons Song. Aber wie sie den alten Everly Brothers-Schmachtfetzen „Love Hurts“ mit Elvis Costello im Duett bietet, dürfte auch den letzten Skeptiker davon überzeugen: In Gesellschaft dieser Dame entwickelten sogar Sangeskollegen wie der manchmal ungeahnte Belcanto-Qualitäten.

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