Emmylou Harris :: Spyboy

Keine Platte, nicht einmal die relativ schwache „White Shoes“ trieb einen solchen Keil in Emmylous Fan-Gemeinde wie „Wrecking Ball“ vor nunmehr drei Jahren. „Schön und gut, aber wo ist der Country?“ fragten die Rootsverliebten enttäuscht. „Brillante Produktion!“ jubelten die anderen und freuten sich über Daniel Lanois‘ fließenden Wohlklang. „Spyboy“, live aufgenommen mit Emmys gleichnamiger Touring Band, wird im Lager der Bewunderer nicht minder polarisieren, denn „Spyboy“ ist ein Rock-Album. Egal, ob halb-akustisch oder voll-elektrisch, diese Band legt sich ins Zeug und läßt es bei Bedarf auch mal krachen. Ein völlig neues Emmylou-Gefühl, that’s for sure.

Das funktioniert bestens, wenn das Material mitspielt. David Olneys gospeliges „Deeper Well“ nimmt in der mehr als 7minütigen Power-Variante einen anderen Charakter an und überlebt so intakt. Andere Songs kommen weniger gut weg, etwa Rodney Crowells „I Ain’t Living Long Like This“, von Haus aus eigendich schon ein Rokker, hier jedoch von einem übereifrigen Buddy Miller reichlich verdudelt. Das alte Lied: Warum leckt der Hund seinen Pimmel? Weil er es kann.

Was „Spyboy“ hat, ist Enthusiasmus und Euphorie. Und eine unbestreitbare Meisterschaft an Instrumenten und Stimmbändern. Was diesem Album indes abgeht, ist eine Authentizität der Gefühle. Würde es nicht so pathetisch klingen, dann könnte man sagen: Es mangelt an Wahrhaftigkeit. Nirgendwo wird das deutlicher als bei „Love Hurts“, jenem klassischen Herzensbrecher aus der Feder von Boudleaux Bryant, von dem es zig Versionen gibt, aber nur eine definitive. Die von Gram Parsons und Emmylou Harris, in deren brechenden Stimmen und herzzerreißenden, dem Himmel entsagenden Harmonien der tragische Text erst so richtig seine Bestimmung findet. „Some fools think of happiness, blissfulness, togetherness/ Some fools fool themselves I guess/ But they’re not fooling me/ I know it isn’t true/ Love is just a lie/ Made to make you blue/ Love hurts.“ Auf „Spyboy“ singt Emmylou diese offene, schwärende Wunde von einer Lyrik mit Buddy Miller, und der ist ein vorzüglicher Vokalist, keine Frage. Nun. Da ist keine Reaktion zwischen den Akteuren, es bleibt beim satten Schöngesang. Vielleicht verlange ich ja auch zuviel. Die Intensität von „Grierous Angel“ ist schließlich nicht reproduzierbar. Nicht einmal von Engel Emmy, gefallen oder nicht.

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