Emmylou Harris :: Stumble Into Grace
Kaum eine andere Künstlerin der alten Country-Garde hat sich in den letzten Jahren auf ihre älteren Tage so konsequent noch mal neu orientiert wie Emmylou Harris. Leise Anzeichen hatte bereits „Cowgirl’s Pruycr“ gezeigt, 1994 ihre letzte Arbeit mit den besseren Traditionalisten Allen Reynolds und Richard Bennett. Doch für den Knalleffekt sorgte erst Daniel Lanois, der Harris auf „Wrecking Ball“ aus vertrauten Sound-Bahnen schubste. Und sie damit wohl auch zur Emanzipation als Songschreiberin ermutigte, nachdem sich die von ihr mitverfasste „Ballad Of Sally Rose“ Mitte der 80er doch noch stark an ihren damaligen Gatten Paul Kennerley und rein Autobiografisches auf den Spuren von Gram Parsons gelehnt hatte. Jetzt kann sie wohl gar nicht mehr anders. Nach „Red Dirt Girl“ ist „Stumble Into Grace“ ihr zweites Album in Folge mit Produzent Malcolm Burn und fast ausschließlich eigenem Material.
With a little help from some sisters, versteht sich. Dabei bleibt zum Auftakt der Liebesschwur „Here I Am“ mit Julie Miller doch eher matt, genauso wie ihr zum Abschluss der „Cup Of Kindness“ überläuft. Dazwischen indes findet sich auch Wohldosiertes, das nicht mal Burn mit seiner tendenziell ambientösen Produktion zerkochen kann. Die Schwesternschaft mit Jill Cuniff (Luscious Jackson), die auf dem Harris/ Ronstadt-Album „Htstern Wall“ mit dem lasziven „Sweet Spot“ öffentlich wurde, schreibt sie ganz gegensätzlich mit dem dräuenden „Time In Babylon“ fort, das, sagen wir, Bob Marley spirituell näher steht als Hank Williams. Vom Vietnam-Krieg zum Prada-Shop in kaum zehn Sekunden, der kleine Zeigefinger aufgefangen in einem anmutig schimmernden Refrain.
Gemeinsam mit Kate und Anna McGarrigle macht sich Harris fein für einen Besuch in der guten alten Folk-Schule, wo das Traditional „Plaisir d’Amour“ wohnt und der hübsch-einfache Sing-A-Long, Jittle Bind“ davonfliegt Auch „O Evangeline“ und das leise, aber beharrlich rufende „Can You Hear Me Now“ folgen dieser Fährte, während als willkommenes Intermezzo „Jupiter Rising“ einen munteren Ry-Cooder-Groove pflegt Die kanadische Kollegin Jane Siberry hat auch zwei gelungene Auftritte. „I Will Dream“ trotzt einer unerwiderten Liebe, und „Lost Unto This World“ transzendiert seinen Titel in einem hymnisch-tröstlichen Duett, ein perfekter Schlusspunkt Aber Emmylou wollte mehr mehr als genug.